Russe hört mit
Von Arnold SchölzelAm Donnerstag abend begründete Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf einem Bürgerforum in Dresden in ungewohnter Klarheit seine Ablehnung, »TAURUS«-Marschflugkörper an Kiew zu liefern und deutsche Soldaten zu entsenden. Am Freitag veröffentlichte Russland ein internes Gespräch hochrangiger deutscher Luftwaffenoffiziere vom 19. Februar über Varianten der Kriegführung gegen russische Ziele mit Hilfe von »TAURUS«. Eine Quelle des 38minütigen Mitschnitts wurde nicht angegeben. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach am Sonnabend bei einem Besuch in Rom von einer »sehr ernsten Angelegenheit«. Er kündigte an: »Deshalb wird das jetzt sehr sorgfältig, sehr intensiv und sehr zügig aufgeklärt. Das ist auch notwendig.« Am Sonntag teilte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mit, es werde wegen der Affäre zunächst keine personellen Konsequenzen geben.
Laut Bild am Sonntag prüft der Militärische Abschirmdienst (MAD), ob eines der Handys gehackt wurde oder ob die Offiziere Sicherheitsbestimmungen nicht eingehalten haben. Nach Informationen des Blattes wurde für die Schaltkonferenz keine geschützte Leitung benutzt, sondern das Gespräch »mit dem amerikanischen Konferenzprogramm ›Webex‹ über eine Festnetzleitung der Bundeswehr auf die Mobiltelefone der Soldaten abgesetzt«.
In der Konferenz erörtern vier Offiziere, darunter Luftwaffenchef Ingo Gerhartz, Einsatzszenarien für den »TAURUS« zur Vorbereitung eines Gesprächs mit Pistorius. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass eine baldige Lieferung und ein schneller Einsatz nur mit Beteiligung deutscher Soldaten möglich sei. Eine »TAURUS«-Ausbildung ukrainischer Soldaten dauere Monate. Erörtert werden verschiedene Möglichkeiten, um eine direkte Beteiligung der Bundeswehr bei einem »TAURUS«-Einsatz zu verschleiern. So könne die Herstellerfirma die benötigten Zieldaten übermitteln oder diese per Pkw über Polen geliefert werden. Als Ziele werden die von Russland gebaute Krimbrücke sowie Munitionsdepots auf der Halbinsel diskutiert. Erwähnt wird die Anwesenheit britischer Soldaten in der Ukraine zur Hilfe beim Starten britischer und französischer Marschflugkörper. Gerhartz nennt im Vergleich zu diesen »TAURUS« ein »Super-Tool«, andere Beteiligte sprechen von einem »Alleinstellungsmerkmal« bei den Fähigkeiten der deutschen Waffe.
Die Union liest aus dem Gespräch heraus, dass eine Beteiligung deutscher Soldaten bei einem »TAURUS«-Einsatz durch die Ukraine technisch nicht zwingend erforderlich ist. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte dem Spiegel am Samstag, der Kanzler begründe seine Ablehnung von Lieferungen »möglicherweise mit einer Falschdarstellung«. Er forderte eine Regierungserklärung, ein Untersuchungsausschuss könne nicht ausgeschlossen werden. Der CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter sprach im ZDF von »Falschbehauptungen« des Kanzlers. In der ARD-Sendung »Bericht aus Berlin« erklärte Kiesewetter am Sonntag: »Es verdichten sich leider Hinweise, dass offensichtlich ein russischer Teilnehmer sich in die Webex eingewählt hat und dass offensichtlich nicht auffiel, dass dort eine weitere Zuwahlnummer war.« SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich rief am Sonntag in einem Interview mit dpa die Union zur Mäßigung auf: »Untersuchungsausschüsse zu fordern, ist das gute Recht der Opposition«. Gleichwohl sollte man erst einmal die Ermittlungen abwarten.
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Und in dieser existentiellen Frage »Krieg oder Frieden« fordert die Frontfrau des BSW Sahra Wagenknecht eine Volksabstimmung über die zugegeben idiotischen Rentenpläne der Ampel, die einen langen Erklärungsvorlauf benötigen. In oder nach einem Krieg geht es ums Überleben, nicht darum, auf welcher Basis Renten zukunftsfest gemacht werden können. Wenn schon eine Volksabstimmung, dann über unsere Kriegstüchtigkeit gegen die Russische Föderation (»Wollt Ihr den totalen Krieg?«) oder über unsere Friedensbereitschaft, das Eintreten für einen Waffenstillstand und Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien. Das steht auf der Tagesordnung, Frau Wagenknecht!
Hans L., Rangsdorf