junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Gegründet 1947 Freitag, 10. Mai 2024, Nr. 108
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
junge Welt: Jetzt am Kiosk! junge Welt: Jetzt am Kiosk!
junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Aus: Ausgabe vom 24.02.2024, Seite 4 / Inland
Schutzschild für Verfassungsgericht

Union sieht keine Angriffe auf Karlsruhe

CDU/CSU-Fraktion bricht Verhandlungen mit Ampel über Grundgesetzänderung ab
Von Kristian Stemmler
Grundgesetz_80891787.jpg
Wird zunächst nicht um Regelungen zum Verfassungsgericht erweitert: Ausgabe des Grundgesetzes in Karlsruhe (19.12.2023)

Die Unionsparteien haben ihr zuletzt betontes Interesse an einer Zusammenarbeit mit der Bundesregierung zur Änderung des Grundgesetzes offenbar bereits wieder verloren. So ist CDU-Chef Friedrich Merz am Freitag im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa zurückgerudert und hat erklärt, dass das Festschreiben der Regeln zur Arbeit des Bundesverfassungsgerichts ins Grundgesetz doch nicht so dringend geboten sei. Es gebe aktuell keine ernsthaften Angriffe auf das Verfassungsgericht, sagte Merz. »Wenn es Vorschläge geben sollte, es noch besser zu schützen, als wir es gegenwärtig ohnehin tun, dann sind wir selbstverständlich für eine Diskussion offen«, behauptete er weiter.

Kurz zuvor war publik geworden, dass die von Merz geführte Unionsfraktion im Bundestag die Gespräche mit der Ampelregierung über eine Art Schutzschild für das höchste deutsche Gericht abgebrochen hatte. Angesichts des Erstarkens der AfD hatte die Ampel erwogen, Einzelheiten zur Wahl und zur Amtszeit von Verfassungsrichtern nicht nur in einem einfachen Gesetz, sondern im Grundgesetz festzuschreiben, damit etwa Richter nicht so einfach ausgewechselt werden könnten. Jede Grundgesetzänderung benötigt eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag, ginge also nur gemeinsam mit CDU und CSU.

In Gesprächen mit Vertretern der Ampelfraktionen SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen sei deutlich geworden, dass eine Umgestaltung der rechtlichen Grundlagen des Bundesverfassungsgerichts nicht nur Vorteile habe, sagte Unionsfraktionsvize Andrea Lindholz (CSU) gegenüber der Rheinischen Post (Freitag). Solche Änderungen müssten laut Lindholz sehr gut überlegt sein. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) bedauerte gegenüber dpa, dass die Union nicht mehr für Gespräche in der Sache bereitstehe. »Gerade im Jahr des 75. Geburtstages des Grundgesetzes wäre es ein wichtiges Zeichen gewesen, die Abwehrkräfte unserer Demokratie und des Rechtsstaats zu stärken«, so der Minister.

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte am Freitag gegenüber dpa, dass es in diesen Zeiten »staatspolitische Verantwortung statt Fundamentalopposition« brauche. Für alle Demokraten solle der Grundsatz gelten: »Erst das Land, dann die Partei.« Der Rechtsstaat dürfe nicht »von innen heraus sabotiert werden können«. Die Justiz sei oft das erste Ziel »extremer Kräfte«, sagte Faeser. Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz nannte die Entscheidung der Union fahrlässig. Während Millionen Menschen »für unseren Rechtsstaat und seine Wehrhaftigkeit« auf die Straße gingen, bekomme es der Unionsfraktionschef »noch immer nicht hin, über seinen Schatten zu springen«.

Die jüngste Positionierung dürfe nicht das Ende der überfraktionellen Gespräche sein, sagte von Notz: »In einer sicherheitspolitisch extrem angespannten Situation das Schutzniveau für das Bundesverfassungsgericht nicht zu erhöhen ist politisch entweder naiv oder in höchstem Maße fahrlässig.« Die Unionsfraktion entgegnete in Person ihres parlamentarischen Geschäftsführers Thorsten Frei, Faeser habe mit ihrer Kritik »Maß und Mitte total verloren«. »Anstatt zu versuchen, uns mundtot zu machen«, sollte sich die Ampelregierung der Sorgen und Nöte der Menschen annehmen, polterte Frei gegenüber dpa.

Tageszeitung junge Welt am Kiosk

Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. Alle Standorte finden Sie unter diesem Link.

Ähnliche:

  • Herausgerechnet: Für den Staat existieren unzählige in Armut leb...
    08.02.2020

    Arme Kinder gut versteckt

    Knapp zwei Millionen Kinder im Hartz-IV-Bezug, DGB-Zahlen irreführend. Minister von CDU/CSU wollen Karlsruher Sanktionsurteil umgehen
  • Immer noch nicht ihre alleinige Entscheidung: Auf einer Demonstr...
    02.03.2019

    Klage für Selbstbestimmung

    Linkspartei, Die Grünen, FDP: Kompromiss der Regierungskoalition unzureichend. Paragraph 219 a eventuell Fall für Bundesverfassungsgericht