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Aus: Ausgabe vom 23.02.2024, Seite 16 / Sport
Fußballrealität

Der entscheidende Faktor

Der Erfolg der Fußballfans im DFL-Investorenstreit ist ein Vorschein kommender Kämpfe
Von Raphael Molter
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Drauf gepfiffen: Fanproteste beim Bundesligaspiel zwischen dem 1. FC Heidenheim gegen Bayer Leverkusen (17.2.2024)

Noch vor einer Woche bedauerte Hans-Joachim Watzke, dass die organisierten Fans sein Dialogangebot ausschlugen. Der BVB-Geschäftsführer, Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Fußballiga und kommissarische Sprecher ihres Präsidiums sprach von einer fehlenden »Basis für ein demokratisches Miteinander«. Derweil forderten die Fanszenen Deutschlands eine offene Neuabstimmung mit einer benötigten Zweidrittelmehrheit unter Einhaltung der 50-plus-eins-Regel. Ein Wochenende und zig Protestaktionen im deutschen Fußball später hat das DFL-Präsidium am Mittwoch sogar noch einen draufgesetzt. Watzke erklärte schmallippig, dass eine »erfolgreiche Fortführung des Prozesses« nicht mehr möglich scheine. Er sprach von einer »Zerreißprobe«. Die Investorensuche des Ligaverbands ist damit gestoppt, für die Fans ist der Kampf urplötzlich erfolgreich beendet. Ein Paukenschlag. Die Proteste zogen sich über drei Monate, in den vergangenen Wochen wurden erste Umfrageergebnisse bekannt: Ein Großteil der Fußballinteressierten steht auf seiten der Protestierenden.

So wundert es nicht, dass nun auch die Spitze des deutschen Profifußballs zu dem Entschluss gekommen ist, sich in der jetzigen Situation keine weitere Blöße geben zu wollen. Bereits vor einigen Wochen sprang der vorletzte Mitbieter Blackstone ab. Das Private-Equity-­Unternehmen reagierte damit auch auf die anhaltenden Proteste, so die DFL. Ob der verbliebende Bieter CVC dadurch in eine so günstige Verhandlungsposition geriet, dass die Verbandsspitze auch aus betriebswirtschaftlichen Gründen ausstieg, ist zu diesem Zeitpunkt Spekulation. Klar aber ist: Es muss endlich Frieden sein im deutschen Fußball. Denn im Sommer startet die Heim-EM, und – noch wichtiger – im April beginnen die Verhandlungen für neue TV-Verträge. Die DFL steht mit dem Rücken zur Wand: Das auf jahrzehntelang steigenden TV-Lizenzeinnahmen basierende Akkumulationsmodell der Fußballindustrie kommt absehbar an sein Ende. Ein Blick auf die TV-Verhandlungen des italienischen Profifußballs sprechen Bände, dort konnten die Medienunternehmen die Kosten für die Fußballizenzen sogar drücken. Der deutsche Ligaverband wollte sich wohl nicht in eine ausweglose und geschäftsgefährdende Verhandlungsposition bringen. Zumindest gehen die Verantwortlichen davon aus, dass Spielunterbrechungen von nun an Geschichte sind.

Für Fußballfans verschiedenster Couleur ist die Entscheidung der DFL ein gutes Zeichen. Sosehr sich die Funktionäre in den vergangenen Jahrzehnten mühten, den Fußball in ihre BWL-Rechnungen zu pressen, so sehr schärfte sich in den vergangenen Monaten das Bild des Fußballs als einer moralischen Ökonomie, in der die Fans als vermeintlich nichtökonomischer Faktor direkten Einfluss nehmen können. Das Spiel dauert noch an, der Abpfiff ist lange hin, und die Fans haben das Signal erhalten, dass sie der entscheidende Faktor sein können. Sie sind die Alternative zum verbandsorganisierten und nach kommerziellen Interessen ausgerichteten Fußball. Die nächsten Kämpfe werden kommen …

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