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Aus: Ausgabe vom 23.02.2024, Seite 7 / Ausland
Großbritannien

Unterhaus stimmt für »humanitäre Waffenruhe«

Großbritannien: Labour-Antrag bootet schottische Forderung nach Waffenstillstand aus. Abgeschwächter Inhalt angenommen
Von Dieter Reinisch
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Zu der Forderung nach einem "permanenten Waffenstillstand" konnte sich das Unterhaus in London am Mittwoch nicht durchringen

Es war einer der chaotischsten Tage des britischen Unterhauses in der jüngsten Vergangenheit. Die schottische Regierungspartei SNP hatte eine Abstimmung über einen sofortigen Waffenstillstand einberufen. Doch statt wie üblich einen Änderungsantrag zuzulassen, gab es neben dem der Regierung noch einen zweiten. Um eine interne Revolte wie im Oktober zu verhindern, änderte der rechte Labour-Chef Keir Starmer seine Position und brachte einen Abänderungsantrag ein, der jenen der SNP abschwächte. Dennoch forderte er ein Ende der Kämpfe in Gaza – eine Position, die Starmer bisher ablehnte.

In dem SNP-Antrag wurde ein »sofortiger Waffenstillstand« in Gaza gefordert. Labour und die konservativen Tories schlugen daraufhin Änderungen mit unterschiedlichen Bedingungen vor, die ihrer Meinung nach notwendig seien, bevor es zu einer Kampfpause kommen dürfe. Sie forderten statt eines Waffenstillstands eine »sofortige humanitäre Pause« und erklärten, dass »von Israel nicht erwartet werden kann, dass es die Kämpfe einstellt, wenn die Hamas ihre Gewalt fortsetzt«. In dem SNP-Antrag wurde auch die »sofortige Freilassung aller von der Hamas genommenen Geiseln und ein Ende der kollektiven Bestrafung des palästinensischen Volkes« gefordert. Labour hatte Einwände gegen die »Kollektivstrafe« erhoben. Die Parteisprecherin für internationale Angelegenheiten, Lisa Nandy, sagte, dies könne als Anschuldigung Israels, »Kriegsverbrechen« verübt zu haben, angesehen werden.

In einem ungewöhnlichen Schritt wählte Parlamentssprecher Lindsay Hoyle beide Änderungsanträge zur Abstimmung aus und brach so mit den üblichen Parlamentsregeln, wonach eine Oppositionspartei den Antrag einer anderen nicht ändern kann und normalerweise nur die Regierungsänderung ausgewählt wird. Infolgedessen kündigte die konservative Fraktionsvorsitzende Penelope Mordaunt an, die Regierung werde nicht an der Abstimmung teilnehmen, und warf dem Sprecher des Unterhauses vor, das »Vertrauen des Unterhauses« zu untergraben.

In dem Änderungsantrag von Regierungsseite wurde ebenfalls die Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand ausgelassen. Statt dessen solle das Parlament »Schritte in Richtung eines dauerhaften, nachhaltigen Waffenstillstands« unterstützen. Auch von den Liberal Democrats gab es einen Änderungsantrag, der wie erwartet nicht zur Abstimmung zugelassen wurde. In diesem wurden die Abgeordneten aufgefordert, »die wiederholten Behauptungen des israelischen Premierministers (Benjamin) Netanjahu zu verurteilen, dass es für einen palästinensischen Staat keine Zukunft gibt«. Darüber hinaus solle die Regierung »nachdrücklich« einen »sofortigen bilateralen Waffenstillstand in Gaza« fordern. Während des Chaos wurde der Labour-Änderungsantrag schließlich mündlich angenommen, ohne dass eine formelle Abstimmung stattfand.

Labour-Sprecherin Nandy hatte sich zuvor am Mittwoch morgen gegenüber Sky News »zutiefst besorgt« über den SNP-Antrag gezeigt und darauf hingewiesen, dass nicht ausreichend dargelegt werde, dass »ein Waffenstillstand per Definition zweiseitig erfolgen muss«. Der ehemalige Labour-Vorsitzende Jeremy Corbyn sowie mehrere Abgeordnete der walisischen Plaid Cymru und der nordirischen sozialdemokratischen SDLP gehörten zu denen, die sich hinter den SNP-Antrag stellen. Matthew Wrack, Generalsekretär der Feuerwehrgewerkschaft, sagte, seine Gewerkschaft erwarte von den Labour-Abgeordneten, dass sie für »Frieden und Gerechtigkeit« kämpfen und den SNP-Antrag als »den einzigen Antrag, der ohne Vorbehalte einen sofortigen Waffenstillstand fordert«, unterstützen. Die linke Kampagnengruppe Momentum kritisierte, Labours »bedingte und unter Vorbehalt stehende« Waffenstillstandsforderung biete Israel »Schutz«, den Konflikt fortzusetzen, und forderte die Partei auf, »moralische Führung« zu übernehmen und den SNP-Antrag zu unterstützen.

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