junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Gegründet 1947 Sa. / So., 27. / 28. April 2024, Nr. 99
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
junge Welt: Jetzt am Kiosk! junge Welt: Jetzt am Kiosk!
junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Aus: Ausgabe vom 08.02.2024, Seite 8 / Ausland
Massaker von Málaga

»Der größte Teil waren Frauen, Kinder und Alte«

Ein Verein erinnert an den Angriff der Legion Condor auf Flüchtende bei Málaga 1937. Ein Gespräch mit Rodrigo Muñoz Cantos
Interview: Carmela Negrete
Gedenkveranstaltung im Februar 2015 -Massaker von Málaga
Gedenkveranstaltung im Februar 2015 zum Massaker auf der Straße von Málaga nach Almería

Sie organisieren vom 7. bis zum 17. Februar einen Fußmarsch von Málaga nach Almería. Was hat es damit auf sich?

Es ist bereits unser achter Marsch. Wir gehen die rund 200 Kilometer zwischen diesen beiden Städten, um an das Massaker an unseren Familien zu erinnern. Aus meiner Familie flohen im Februar 1937 elf Menschen über diese Route. Wir haben unseren Verein gegründet, um daran zu erinnern. Den Marsch kombinieren wir mit anderen Aktionen wie Lesungen oder Interviews mit Zeitzeugen auf öffentlichen Plätzen oder in Bibliotheken. Wir haben auch Ausstellungen zum Thema in mehreren Dörfern organisiert und an mehreren Stellen entlang des Weges, den die Flüchtenden damals gingen, Informationstafeln angebracht. Voriges Jahr haben wir auch einen internationalen Kongress zu diesem Thema organisiert.

Warum herrscht so großes Vergessen rund um dieses Verbrechen?

Wir leben in einem Land, das kaum an seine Geschichte erinnert. Deshalb sehen wir, wie der Faschismus nun wieder erstarkt. In den vierzig Jahren der Diktatur wurden diese Taten hier in Andalusien totgeschwiegen. Die Demokratie hat diese Tragödie bisher auch nicht aus der Vergessenheit geholt. Hier an den Straßen des Todes starben zwischen 3.000 und 5.000 Menschen auf der Flucht. Später wurden auch viele, die nach Hause zurückgekehrt waren, von den Faschisten gefoltert und ermordet. Obwohl wir nun ein Gesetz für das demokratische Gedenken haben, konnten wir bisher nicht an dieses Massaker erinnern und die Opfer angemessen würdigen.

Auch in Deutschland scheint es kein großes Interesse an diesem Verbrechen der Legion Condor zu geben.

Weder in Deutschland noch in Italien. Es gibt immer mehr Historiker, die sagen, dass ohne die Intervention Hitlers mit der Legion Condor und mit Waffenlieferungen Franco den Krieg nicht gewonnen hätte. Am 6. und 7. Februar begannen die Menschen, von Málaga in Richtung Almería zu fliehen. Allein aus Málaga zogen rund 150.000 Menschen los. Unterwegs schlossen sich immer mehr an, um über die einzige Straße, die noch auf republikanisches Gebiet führte, zu fliehen. Da war Málaga bereits von Franco eingenommen worden. Der größte Teil der Flüchtenden waren Frauen, Kinder und Alte. Ich bin Sohn, Enkel und Urenkel von Frauen, die diesen Marsch antraten, als die Nachrichten von Plünderungen, Vergewaltigungen und Morden durch die Faschisten immer näher rückten.

Es muss für diese Menschen ein beschwerlicher Weg gewesen sein.

Damals hat es viel geregnet, sie hatten wenig Essen und Wasser dabei, aber vor allem wurden sie ständig bombardiert. Entlang des Weges lagen überall Leichen. Es muss schrecklich gewesen sein.

Wo kann man über die Verbrechen an der Flüchtlingskarawane »La Desbanda«, wie sie in Spanien bekannt ist, mehr erfahren?

Insbesondere der kanadische Arzt und Internationalist Norman Bethune, der auf der Seite der Spanischen Republik stand und später in China bekannt wurde, hat beschrieben, was sich hier abspielte. Von seinem Assistenten stammen auch die wenigen Fotos, die es dazu gibt. Bethune war in Valencia, als er erfuhr, was sich hier abspielte. Er entschloss sich herzukommen, um Menschen mit dem Krankenwagen nach Almería zu transportieren. Er schrieb später, wie er hier mehrere Tage verbracht hat, um Menschen zu retten, und dabei das schreckliche Dilemma durchlebte zu entscheiden, wem er zuerst helfen sollte. Hier probierten die deutschen und italienischen Faschisten aus, was sie später in Zweiten Weltkrieg im großen Stil gemacht haben. Die Professorin Encarnación Barranquero von der Universität Málaga hat auch mehrere Bücher über La Desbanda geschrieben.

Rodrigo Muñoz Cantos ist Mitglied des Vereins »La Desbanda« und Nachfahre von Opfern der Bombardierung der Legion Condor. La Desbanda heißt auf Spanisch »Massenflucht«

2 Wochen kostenlos testen

Die Grenzen in Europa wurden bereits 1999 durch militärische Gewalt verschoben. Heute wie damals berichtet die Tageszeitung junge Welt über Aufrüstung und mediales Kriegsgetrommel. Kriegstüchtigkeit wird zur neuen Normalität erklärt. Nicht mit uns!

Informieren Sie sich durch die junge Welt: Testen Sie für zwei Wochen die gedruckte Zeitung. Sie bekommen sie kostenlos in Ihren Briefkasten. Das Angebot endet automatisch und muss nicht abbestellt werden.

  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Martin M. aus Lisboa (7. Februar 2024 um 22:30 Uhr)
    Gracias Carmela, no conocía esa tragedia de la »guerra civil« expresión que en si mismo es un eufemismo porque realmente se trata de un golpe de estado fascista. Es wird immer vom spanischen Bürgerkrieg gesprochen, aber tatsächlich handelt es sich um einen faschistischen Militärputsch. Mit Mär und Wortwahl (Bürgerkrieg) übernehmen auch fortschriftliche Kräfte die bürgerliche und reaktionäre Darstellungsweise.

Mehr aus: Ausland