junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Gegründet 1947 Donnerstag, 2. Mai 2024, Nr. 102
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
junge Welt: Jetzt am Kiosk! junge Welt: Jetzt am Kiosk!
junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Aus: Ausgabe vom 08.02.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Südasien

Schlimmste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten in Pakistan

Von Thomas Berger
imago0397650755h.jpg
Armut allerorten: Notdürftige Behausungen in Karatschi (11.7.2023)

Kürzlich haben die Statistiker wieder aktuelle Zahlen vorgelegt: Die Verteuerung aller Waren und Dienstleistungen in Pakistan hat sich im Januar etwas abgemildert. Über drei Monate lang hatte sie bei über 40 Prozent gelegen, nun bei knapp 30 Prozent. Doch dies bleibt für große Bevölkerungsteile dramatisch. Das magere Einkommen reicht bestenfalls, irgendwie den laufenden Monat zu überstehen. Wenn insbesondere die Waren des täglichen Bedarfs längere Zeit auf solch einem Niveau im Preis steigen, bedeutet das für die Ärmsten Hunger, sofern dieser nicht schon vorher herrschte. Und selbst für die untere Mittelklasse einen drohenden Abstieg in die Armut. Wer vielleicht als Krankenschwester, kleiner Behördenangestellter oder Lehrer ein geringes, aber sicheres Monatseinkommen hat, merkt, wie dies durch die laufenden familiären Ausgaben für Wohnen, Schulgebühren der Kinder und den Transport zur Arbeitsstelle schon fast aufgezehrt wird. Da die Fixkosten nicht sinken, muss zur Not am Essen gespart werden.

Pakistan ist ökonomisch an seinen Grenzen angelangt. Auch nach dem Jahreswechsel sehen die Prognosen für 2024 alles andere als rosig aus: Laut Statistikamt hat der Textilsektor, eine wichtige Säule der Wirtschaft, im Dezember mit Exporten von 1,39 Milliarden US-Dollar 3,33 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat zulegen können. An sich könnte dies als kleiner Mutmacher dienen. Doch konnte dieser Sektor in der zweiten Jahreshälfte 2023 nur in zwei Monaten wachsen – Oktober und eben Dezember. Insgesamt zeigt der Trend mit einem Gesamtminus von 4,97 Prozent auf noch 8,28 Milliarden US-Dollar Exporte klar abwärts. Vor allem die gestiegenen Energiepreise belasten die Betriebe.

Pakistan hat wie nahezu alle Länder unter Wirtschaftsrückgängen in der Coronazeit gelitten. 2022 kam noch die Jahrhundertflut mit Gesamtschäden in Größenordnung von über 16 Milliarden Dollar obendrauf. 33 Millionen Menschen waren davon unmittelbar betroffen, der Wiederaufbau zerstörter Infrastruktur wird sich noch Jahre hinziehen. Dazu gesellen sich schon länger anhaltende Probleme wie zu geringe Steuereinnahmen, weshalb die Staatskasse generell klamm ist und das Land – wie aktuell mit einem neuen Notkredit – insbesondere am Tropf des Internationalen Währungsfonds (IWF) hängt und auf zusätzliche Kredite bilateraler Geldgeber wie China, Vereinigte Arabische Emirate und Saudi-Arabien angewiesen ist. Ein Großteil davon geht gleich wieder in den Schuldendienst.

Im gerade vorgelegten Weltjahresbericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch heißt es im Kapitel zu Pakistan, dass 19 Millionen Kinder im betreffenden Alter nicht zur Schule gehen: Für 13 Millionen, insbesondere Mädchen, ist spätestens nach der Grundschule Schluss, weitere gut sechs Millionen haben oft noch nie in einem Klassenraum gesessen, um wenigstens die Grundzüge von Lesen, Schreiben und Rechnen zu lernen. In einem Beitrag für die Tageszeitung Dawn verwiesen selbst Najy Benhassine, Landesdirektor für Pakistan der Weltbank, und Weltbank-Südasienvizedirektor Martin Raiser darauf hin, dass sieben Prozent der Kinder im Land nicht einmal das fünfte Lebensjahr erreichen. Selbst die Landwirtschaft sei in der Krise, soziale Infrastruktur in vielen Bereichen unterentwickelt. Es handelt sich, so die unterschwellige Botschaft solch kritischer Bestandsaufnahmen, nicht nur um zuletzt dramatisch verschärfte Probleme – sondern um ein schon über Jahrzehnte andauerndes Staatsversagen.

Tageszeitung junge Welt am Kiosk

Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. Alle Standorte finden Sie unter diesem Link.

Regio:

Mehr aus: Schwerpunkt