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Aus: Ausgabe vom 05.02.2024, Seite 4 / Inland
»Brandmauer«

Bürgerlicher Protest

Mobilisierung gegen AfD hält an: Hunderttausende protestieren am Wochenende. Nicht alle Stimmen bei Demonstrationen willkommen
Von Kristian Stemmler
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»Wir sind die Brandmauer« ist das Motto der Demonstrierenden (Berlin, 3.2.2024)

Trotz Sprühregens ist die Stimmung gut an diesem Sonnabend vor dem Reichstagsgebäude. Wildfremde halten sich an den Händen, rufen »Wir sind die Brandmauer«. Banner und selbstgemachte Pappschilder mit Aufschriften wie »5 vor 33 – Faschisten stoppen« werden hochgehalten. Im Berliner Regierungsviertel wurde am Sonnabend erneut gegen rechts und die AfD demonstriert – und der Zulauf war noch mal größer als vor zwei Wochen. Die Polizei sprach von mehr als 150.000 Teilnehmern, die Veranstalter sogar von 300.000. Auch in vielen anderen Städten gingen am Wochenende wieder Menschen gegen rechts auf die Straße.

Der Aufruf zur Kundgebung in Berlin war von mehr als 1.300 Verbänden, Initiativen und Institutionen unterzeichnet worden, darunter die Gewerkschaften Verdi, GEW und IG Metall, Amnesty International, die Umweltorganisation BUND, die Evangelische Kirche, Flüchtlingshilfsorganisationen und Klimaschutzgruppen wie die »Letzte Generation«. Christoph Bautz vom Kampagnennetzwerk Campact, das zu den Mitinitiatoren zählte, wertete die hohe Teilnehmerzahl als ein »starkes Zeichen für eine offene, demokratische, plurale und solidarische Gesellschaft«.

Alle Stimmen waren auf der bürgerlichen Großdemonstration allerdings nicht willkommen: Zwei Personen aus der Friedensbewegung für Palästina, die Rechtsanwältin Nadija Samour und Iris Hefets, Vorstandsmitglied des Vereins »Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost«, waren nach einer Abstimmung der organisierenden Gruppen als Sprecherinnen nicht eingeladen worden. »Im Grunde genommen finde ich diese Anti-AfD-Demos problematisch, auch, weil auf die AfD das ganze Böse projiziert wird, als ob sie das Problem wären«, sagte Iris Hefets am Sonntag gegenüber junge Welt. Das Problem sei aber die Ampelkoalition. »Sie machen eine Politik, über die sich die AfD nur freuen kann. Diese Antiasylrechtspolitik zum Beispiel und die Unterstützung von Israel«, so Hefets.

Auch in vielen anderen Städten der BRD kam es erneut zu Demos. In Freiburg demonstrierten am Sonnabend rund 30.000 Menschen. Etwa 25.000 Menschen nahmen nach Angaben der Polizei in Augsburg an einer Kundgebung gegen rechts teil. In Krefeld gingen rund 10.000 Menschen auf die Straße. Das Portal »Zusammen gegen rechts« verzeichnete für Sonnabend mehr als 20 Veranstaltungen in Nordrhein-Westfalen, für Sonntag weitere sieben. Die Demos setzen NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) zufolge die »Szene« unter Druck. »Wenn die Mitte der Gesellschaft für Demokratie und Toleranz aufsteht, trifft das die Intoleranten und Demokratiefeinde«, sagte Reul der Westdeutschen Allgemeinen (Sonnabend).

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bezeichnete die Demonstrationen vom Wochenende bei X als »starkes Zeichen für die Demokratie und unser Grundgesetz«. Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband erklärte bei X, es gehe nicht nur gegen rechte Parteien und Gruppen, sondern gegen rechte Politik, »gegen jede Politik, die spaltet, ausgrenzt, aufhetzt und die Gleichwürdigkeit aller Menschen in Frage stellt«.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Angelo V. aus Berlin (5. Februar 2024 um 17:25 Uhr)
    Es sollte jedoch erwähnt werden, dass es viele Menschen vor Ort gab, die nach Alternativen suchten. Die Reden können unter https://www.youtube.com/watch?v=3qhsQ_k5HVw angehört werden. Leider habe ich keine Tageszeitung finden können, die diese Beiträge zusammenfasst. Der Punkt ist, dass diese Redebeiträge sehr kritisch gegenüber der Bundesregierung waren, die auch als »Teil des Problems« bezeichnet wurde. Es gab auch Beiträge, die die Israelpolitik der Bundesregierung kritisierten. Ein Sprecher sagte: »Wir sind die Brandmauer gegen die rassistische Politik der Bundesregierung.« Die Zeitungen berichten eher über den Gruß von Olaf Scholz oder über Karl Lauterbach mit dem roten Schild. Hofberichterstattung ist an der Tagesordnung. [Beiträge zu hören: 1:18:00, 1:56:00, 2:04:00]. Die einzige politische Organisation, die es wagte, ihr Material zu verteilen, war die links jugend [‘solid] mit einem Flyer und dem Aufsatz: »Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen«. Die LINKE hätte hier offensichtlich viel Raum, um Punkte zu machen, wenn sie nur aufhören würde, eine Regierungsbeteiligung mit den bürgerlichen Parteien durch Verwerfung des eigenen Programms anzustreben. Es ist wichtig, an diesen Demonstrationen teilzunehmen.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Klaus W. aus Leipzig (5. Februar 2024 um 08:53 Uhr)
    Auf der ganzen Welt gehen die Leute auf die Straße für Frieden in Gaza und die Deutschen protestieren für eine Regierung, die Faschisten in Israel unterstützt.

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