König Novak
Von Jan Decker
Höchst unterschiedlich verliefen die Finalturniere der besten acht Tennisspielerinnen und Tennisspieler des Jahres. Während die ATP-Finals der Herren, die am Sonntag in Turin beendet wurden, ein perfekt inszeniertes Showevent in einer großen Halle mit optimalen Bedingungen boten, erlebten die Damen in der ersten Novemberwoche bei den WTA-Finals im mexikanischen Cancún die große Pleite. Erst in letzter Sekunde war das Turnier dort ausgetragen worden, weil man sich dann doch nicht traute, den Avancen der großen Tennisnation Saudi-Arabien als Austragungsland nachzugeben. Der großen Tennisnation Tschechien gab man unterdessen einen Korb, denn Ostrava oder Prag wollten nur austragen, wenn man wie Turin für mehrere Jahre Austragungsort bleiben würde – doch es wartet ja Riad.
Und der Turnierverlauf in Turin? Da hatte einer ganz breit zu grinsen: nämlich Novak Đoković, der nach dem Rückzug seiner Erzrivalen Roger Federer (in Rente) und Rafael Nadal (das ganze Jahr verletzt) vielleicht den besten Lauf seit seiner Saison 2015 hatte: drei von vier Grand-Slam-Turnieren gewonnen, damit nun Rekord-Grand-Slam-Sieger im Herreneinzel (24) und Rekordweltranglistenerster (400 Wochen und vorerst kein Ende in Sicht). Der Serbe ist trotz seiner 36 Jahre noch lange nicht am Ende, er hat das fehlervermeidende Tennis zur Perfektion getrieben, seine Vorhand noch verbessert und schlägt neuerdings sogar meisterhaft auf. Der Grieche Stefanos Tsitsipas, deutlich unterlegener Finalgegner von Đoković bei den letzten Australian Open, schien den Knacks der bitteren Lehrstunde nicht mehr wegstecken zu können, er bleibt vielleicht ein ewiges Talent. Casper Ruud und Daniil Medwedew, ebenfalls noch Youngster im Vergleich zu Đoković, schnupperten an Grand-Slam-Siegen gegen ihn, aber das war es auch schon. Nur einer, der 20jährige Spanier Carlos Alcaraz, konnte ihm nach fünf aufreibenden Sätzen dieses Jahr in Wimbledon den Titel entreißen.
Folgerichtig gewann Đoković am vergangenen Sonntag auch die ATP-Finals, und das gegen einen zuvor bärenstark aufspielenden Jannik Sinner, der Đoković in der Gruppenphase in einem Dreistundenmatch sogar besiegen konnte. Sinners eindeutige 3:6-3:6-Niederlage im Finale von Turin glich der Realisierung des eigenen Wunschs nach dem Vatermord, den man dann doch lieber bleiben lässt.
Immer noch kein Abo?
Die junge Welt ist oft provokant, inhaltlich klar und immer ehrlich. Als einzige marxistische Tageszeitung Deutschlands beschäftigt sie sich mit den großen und drängendsten Fragen unserer Zeit: Wieso wird wieder aufgerüstet? Wer führt Krieg gegen wen? Wessen Interessen vertritt der Staat? Und wem nützen die aktuellen Herrschaftsverhältnisse? Kurz: Wem gehört die Welt? In Zeiten wie diesen, in denen sich der Meinungskorridor in der BRD immer weiter schließt, ist die junge Welt unersetzlich.
Mehr aus: Sport
-
Auf Babes Spuren
vom 21.11.2023 -
Die falsche Seite
vom 21.11.2023