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Aus: Ausgabe vom 21.11.2023, Seite 11 / Feuilleton
Stadtökologie

Tote Tauben scheißen nicht

Tierquälerei: Im hessischen Limburg sollen Vögel per Hand getötet werden
Von Gisela Sonnenburg
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Die Tauben geraten nicht gerade in Verzückung bei dem Gedanken, behördlich als Ungeziefer angesehen und neben dem Springbrunnen erdolcht zu werden

Töten ist geil. Das haben sinngemäß die Stadtverordneten des hessischen Limburg am 13. November beschlossen. Einer Vielzahl an Tauben soll das Genick gebrochen werden. 700 bis 1.000 Exemplare gibt es in der Stadt, der Bestand soll über zwei Jahre »reduziert« werden. Limburg wählt damit einen anderen Weg als üblich, wenn es darum geht, ein Übermaß an Tauben in den Griff zu bekommen. Tötung statt Geburtenkontrolle durch Eieraustausch in sogenannten Taubenhäusern – ein Vorbild? Natürlich nervt zuviel Vogelkacke. Aber schuld ist der Mensch: Tauben sind Haustiere, keine Wildtiere, auch wenn sie frei leben. Und es war der Mensch, der den putzigen grauen Tierchen einen so starken Drang zum Kopulieren und Brüten anzüchtete, dass sie rund ums Jahr stetig Eier legen. Alle Stadttauben stammen von diesen Zuchterfolgen ab.

Würde man Spatzen, Meisen und Finken oder auch Papageien und Wellensittichen, Hamstern und Meerschweinchen massenhaft den Kopf abreißen? Nicht mal mit Hühnern macht man das. Würde man Katzen und Hunden das Genick brechen, wenn sie überzählig sind? Nicht mal mit Kampfhunden macht man das. Würde man so ein Massaker auch noch öffentlich befürworten und sogar aus der Stadtkasse bezahlen? Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit wäre das denkbar gewesen.

Seit Jahren ist es in Deutschland ganz normal, bei einer Taubenplage Taubenhäuser einzurichten. Dort werden die Eier der Vögel gegen Gipseier ausgetauscht. Eine effektive Methode: Die Tiere merken nichts, brüten weiter und glauben irgendwann, es handle sich um unbefruchtete Eier. Die kommen auch in der Natur vor. So kann man den Taubenbestand über Jahrzehnte kontrollieren.

Die Stadt Limburg aber will nicht wahrhaben, dass man für knapp 4.000 Euro einen containergroßen Taubenschlag errichten kann, in dem die Tiere trotz Freiflug kontrolliert leben und brüten. Limburg hantiert lieber mit zu hoch berechneten Kosten, um sagen zu können: Es sei billiger, einen sich anbietenden Taubentöter zu beauftragen. 20.000 Euro soll er für den geplanten Massenmord per Hand an Tauben erhalten.

Taubenvereine, vor allem die Stadttaubenhilfe Koblenz/Neuwied e. V., kümmern sich um die Sache. Sie klären auf und versuchen zu helfen. Noch hat die zuständige Behörde – das Veterinäramt – dem Beschluss der blutrünstigen Lokalpolitiker nicht zugestimmt. Aber machen wir uns nichts vor: Viele Amtstierärzte agieren rein funktional. Vielleicht werden sie behaupten, Genickbruchmassaker seien akzeptabel.

Taubenkenner wissen es besser. Die aus Funk und Fernsehen bekannte Tierärztin Kirsten Tönnies erklärte, dass die Tauben laut Gesetz zunächst betäubt werden müssen, bevor man ihnen den Hals umdreht. Der Falkner, der das machen soll, wird dazu einen Knüppel benutzen. Es ist aber, so Tönnies, ziemlich schwer, eine geschmeidige Taube auf einen Schlag zu töten. Eher zertrümmert man Schnabel, Auge, Schädeldecke – und der Vogel erleidet Folterschmerzen. Auch der anschließende Genickbruch oder das Abreißen des Kopfes geschehen nicht schnell. Es handelt sich vielmehr um in Kauf genommene Qualen, sagte Tönnies.

Es ist also im Grunde widerrechtliche Tierquälerei, was die Limburger Politiker da beschlossen haben. Und: Es ist keine nachhaltige Lösung. In ein, zwei Jahren hat man dann wieder Tauben zuviel. Soll es massenhafte Taubentötungen als Festival geben? Die Tote-Tauben-Biennale? Im Blutrausch vereint – so ganz neu ist das von CDU, SPD und FDP leider nicht.

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat übrigens letztes Jahr eine ähnliche Maßnahme gegen Tauben gestoppt. Aber in Hessen will man sich wohl in Sachen Grausamkeit besonders profilieren. Wie dumm. Nicht nur für die Tiere.

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