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Aus: Ausgabe vom 21.11.2023, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Rohstoffpolitik

»Monsterkohle« für BRD

Kolumbien: NGO beklagen »toxische Geschäfte« deutscher Energiekonzerne und Banken im Steinkohletagebau Cerrejón
Von Oliver Rast
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Fundgrube Cerrejon: Der Schweizer Betreiber Glencore exportiert jährlich mehr als 32 Millionen Tonnen Steinkohle

Dröhnendes, schweres Gerät arbeitet sich immer tiefer und weiter ins Erdreich. Dazu Tausende flinke, fleißige Hände der Malocher. Oft in Zwölf-Stunden-Schichten. Maschinell, menschlich, alles läuft auf Verschleiß. Einheimische nennen das Areal »Monster«, den Steinkohletagebau El Cerrejón. Im Nordosten Kolumbiens gelegen, im Departement La Guajira, dem zweitärmsten des Landes.

Die Mine ist die größte Lateinamerikas, mit einer Fläche wie der Hamburgs in etwa. Betreiber ist der Schweizer Rohstoffgigant Glencore. Dessen Ausbeutungsmethoden stehen in der Kritik: geschundene Arbeiter, verpestete Luft, zerstörte Landstriche, vertriebene Indigenas. Daran hat das BRD-Kapital seinen Anteil.

Denn: »Deutsche Energiekonzerne und Großbanken finanzieren die toxischen Geschäfte Glencores im Steinkohletagebau Cerrejón«, heißt es in einer Mitteilung der Menschenrechtsorganisation FIAN Deutschland am Sonnabend. Dokumentiert ist diese Geschäftemacherei im neuen Bericht »Does Cerrejón always win?« der kolumbianischen Nichtregierungsorganisationen CINEP und Censat Agua Viva, deren Vertreter in dieser Woche in Berlin, Frankfurt am Main und Köln auf Tour sind. Den Menschenrechtlern zufolge habe Glencore »in einer ohnehin wasserarmen Region den Bruno-Fluss umgeleitet, nur um Cerrejón auszubauen, und das wenige verbliebene Wasser verschmutzt.« Ferner versuche der Konzern die kolumbianische Regierung unter dem linken Präsidenten Gustavo Petro mit einer millionenschweren Schiedsgerichtsklage unter Druck zu setzen, damit die Kohlemine erweitert werden könne. Das Verfahren sei anhängig, also noch nicht entschieden, bestätigte eine Glencore-Sprecherin am Montag gegenüber jW.

Glencores BRD-Unterstützer sind potent: Nach Angaben von FIAN kauften die Energiegrößen EnBW, Uniper, RWE und STEAG 2022 mit rund 7,3 Millionen Tonnen fast viermal mehr Steinkohle aus Kolumbien als 2021 – das Gros stammt aus Cerrejón. Und: Deutsche Bank, Commerzbank, DZ-Bank, Deka-Gruppe und Allianz hielten im Juni 2023 Anleihen und Aktien von Glencore im Wert von 530 Millionen US-Dollar. Hinzu kommt: Generöse Gläubiger hierzulande gewährten dem eidgenössischen Multi zwischen 2016 und Mitte 2023 Kredite und Garantien in Höhe von fast 5,8 Milliarden US-Dollar. »Wenn Investoren und Banker ihr Geld in Unternehmen anlegen, die Menschen- und Umweltrechte verletzen, machen sie sich zu Komplizen dieser Verbrechen«, so Vertreter von CINEP und Censat Agua Viva.

Wie reagieren deutsche Kohlebarone auf die Vorwürfe? Rechtfertigend. Der Anstieg der Steinkohleimporte aus Kolumbien sei aufgrund des Ukraine-Kriegs vorübergehend und diene der Versorgungssicherheit Deutschlands, sagte STEAG-Unternehmenssprecher Jonas Brinker am Montag jW. Im übrigen beziehe der fünftgrößte hiesige Stromerzeuger »nur einen geringen Teil seiner Brennstoffe aus Kolumbien.« Genauer wurde Brinker nicht. Oliver Roeder, Pressesprecher von Uniper, auf jW-Nachfrage schon: »Im Jahr 2022 kamen rund 23 Prozent der Kohle, die Uniper über Direktverträge bezogen hat, aus Kolumbien.« Insgesamt habe der Konzern rund 8,4 Millionen Tonnen Steinkohle für eigene Kraftwerke erworben. Uniper investiere indes nicht in Kohleabbauprojekte.

Was sagen Banker und Versicherer zum Glencore-Engagement? Nichts; jedenfalls nichts zur Geschäftsbeziehung. Immerhin aber das: »Seit 2016 hat sich die Deutsche Bank nicht mehr an der Kreditfinanzierung von neuen Kraftwerkskohleminen und am Ausbau bestehender beteiligt«, bemerkte ein Sprecher am Montag gegenüber jW. Und eine Allianz-Sprecherin verwies darauf, dass Finanzierung und Versicherung von Unternehmen, die mehr als 25 Prozent ihres Umsatz aus dem Kohleabbau erzielten, ausgeschlossen seien.

Verlautbarungen, die Aktivisten von FIAN nicht reichen. Sie fordern, dass das neue EU-Lieferkettengesetz auch für den Finanzsektor gilt. Bloß, Parlament, Rat und Kommission der EU verhandeln bislang ergebnislos über Inhalte des Gesetzes. Davon unabhängig, bereits 2020 hatten UN-Menschenrechtsexperten einen Teilstopp für die Mine El Cerrejón verlangt. Wegen immenser Schäden für Umwelt und Gesundheit. Vergebens. Das »Monster« treibt weiter sein Unwesen, auf Kosten von Mensch und Natur.

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