Argentinien wählt rechts
Von Jörg Tiedjen
Argentinien bleibt für Überraschungen gut, auch unangenehme. Entgegen allen Voraussagen konnte sich bei den Stichwahlen ums Präsidentenamt in dem südamerikanischen Land der extrem rechte Kandidat Javier Milei mit deutlichem Abstand gegen den Peronisten Sergio Massa durchsetzen. Demnach erhielt Milei am Sonntag 56 Prozent der Stimmen, auf Massa entfielen 44. Die Wahlbeteiligung betrug 76 Prozent.
»Das Modell der Dekadenz ist am Ende«, verkündete Milei in der Nacht. Am Montag bewies er dann erneut, wes Geistes Kind er ist, als er laut der Zeitung La Nación ankündigte, den öffentlichen Rundfunk privatisieren zu wollen und den Anwalt Mariano Cúneo Libarona als Justizminister einzusetzen. Página 12 rekapitulierte, dass es Milei und Cúneo um eine Entpolitisierung des Gerichtswesens gehe.
Unter den Gratulanten zum Wahlsieg war auch Mileis Vorbild Donald Trump. »Die ganze Welt hat zugesehen!« behauptete der frühere US-Präsident, der im kommenden Jahr erneut gegen den Demokraten Biden antreten will, auf seiner privaten Nachrichtenplattform Truth Social. »Ich bin sehr stolz auf dich. Du wirst dein Land umkrempeln und Argentinien wirklich wieder groß machen«, schrieb Trump in Anspielung auf seine eigene Kampagne »Make America Great Again«.
Einfach dürfte es der »Anarchokapitalist« Milei jedoch nicht haben, seine Agenda durchzudrücken, wenn er im Dezember sein Amt antritt. Schließlich verfügt seine Partei »La Libertad avanza« nur über wenige Sitze im Parlament und im Senat über keinen einzigen. Allerdings könnte Milei bei den Konservativen um die in der ersten Wahlrunde im Oktober ausgeschiedene Allianz »Juntos por el Cambio« Unterstützer finden.
Auch der Internationale Währungsfonds übermittelte Milei seine besten Wünsche. Bei ihm ist Argentinien hochverschuldet. Der deutsche Landwirtschaftsminister Cem Özdemir wiederum fürchtet um die Zukunft des Freihandelsabkommens Mercosur. »Das Umfeld wird schwieriger«, so der Grünen-Politiker am Montag vor einem Treffen mit seinen Amtskollegen aus den anderen EU-Staaten in Brüssel.
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Leserbrief von Ullrich-Kurt Pfannschmidt (21. November 2023 um 10:14 Uhr)Zitat »Unter den Gratulanten zum Wahlsieg war auch Mileis Vorbild Donald Trump« – Wen wundert’s. Auch Trumps Lob: »Ich bin sehr stolz auf dich …« überrascht nicht. Wie lautet doch das Sprichwort: »Gleiche Brüder, gleiche Kappen!«. – Allerdings gab es noch weitere Gratulanten, die im Artikel leider nicht erwähnt wurden, warum eigentlich nicht? Beispielsweise meldet der DLF (Tschuldigung!) des weiteren: »Auch China gratulierte zur Wahl, obwohl Argentiniens neuer Präsident im Wahlkampf erklärt hatte, die Handelsbeziehungen mit China beenden zu wollen. Aus Russland hieß es, man wolle weiterhin enge Beziehungen zu Argentinien unterhalten. Milei hatte im Wahlkampf gesagt, er wolle sich stärker den USA und proukrainischen Positionen zuwenden«. Was soll man dazu sagen, wenn China und Russland diesem »Anarchokapitalisten« fast schon hinterherlaufen, obwohl der es eher mit den USA und der Ukraine hält?
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