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Aus: Ausgabe vom 18.09.2023, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Unbefristeter Streik bei Ardo

Ausstand am Tiefkühler

Beschäftigte von Ardo Austria Frost in unbefristetem Streik. Unternehmen macht Druck und spaltet durch Leiharbeiter
Von Dieter Reinisch, Groß-Enzersdorf
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Beschäftigte des Tiefkühlwarenherstellers Ardo protestierten am Freitag in Groß-Enzersdorf vor dem Werkstor

Das östlich an Wien angrenzende Marchfeld ist die Gemüsekammer Österreichs. Die Firma Ardo Austria Frost, Teil eines belgischen Konzerns, produziert 83 Prozent des in der Alpenrepublik hergestellten Tiefkühlgemüses. Aus der Fabrik in Groß-Enzersdorf am nordöstlichen Rand der Hauptstadt wird auch ins nahe Ausland – vor allem in die BRD – exportiert. Doch die Belegschaft ist in unbefristeten Streik getreten, seit Mittwoch, wie junge Welt im Gespräch mit den Betriebsräten Dietmar Breiner und Gregor König beim Ortsbesuch am Freitag erfuhr.

Ein unbefristeter Streik ist für Österreich ungewöhnlich. Doch nachdem Ardo am Montag nicht auf Forderungen der Beschäftigten eingegangen war, folgte am Mittwoch der unbefristete Ausstand: »Ich versuche seit Jahren, die Löhne zu heben«, so Breiner im jW-Gespräch. Im Januar gab es zwar eine Erhöhung des Branchenkollektivvertrags, doch für die Arbeiter bei Ardo sei das zu wenig. »Zu mir kommen Leute, die mir erzählen, dass sie ihren Kühlschrank auf Raten abzahlen müssen«, erklärte Breiner.

In Österreich sei ihm vom Management erzählt worden, man sei nicht zuständig, so Breiner, der auch im europäischen Betriebsrat des Unternehmens sitzt. »Ich bin nach Belgien geflogen, und dort haben sie nicht mit mir gesprochen, weil sie gesagt haben, sie sind nicht zuständig.« Seit Jahren gehe das nun so. Im Juli forderte der Betriebsrat eine Lohnerhöhung von 200 Euro netto. Der belgische Konzern machte im vergangenen Jahr 78 Millionen Euro Gewinn – in Österreich erzielte er dabei ein Plus. In Groß-Enzersdorf hat Ardo 137 Arbeiter.

Vergangene Woche wurde über das Angebot einer Einmalzahlung von 700 Euro abgestimmt – von 100 anwesenden Kolleginnen und Kollegen stimmten 75 dagegen. Nach Betriebsversammlungen und Warnstreiks am vergangenen Montag sei jedoch klargeworden, dass die Arbeiter mehr wollen, betonte Betriebsrat König im jW-Gespräch. Nach dem Ausstand über drei Schichten und neuerlicher Abstimmung stand das Votum für unbefristeten Streik.

Die Beschäftigten sind Teil der größten Arbeitergewerkschaft Pro-Ge. Kurz nach Streikbeginn erreichten sie Solidaritätsbotschaften des Österreichischen Gewerkschaftsbundes und des SPÖ-Vorsitzenden Andreas Babler. Über zwei Drittel der Belegschaft seien im Ausstand, erzählte König. Doch die Leiharbeiterfirma Transfer Personalmanagement erschwere den Arbeitskampf und schicke 15 Arbeiter in jede Schicht. Die Schichten seien von 7,7 auf zwölf Stunden verlängert worden.

Ohne Leiharbeiter könnte der ökonomische Druck auf das Unternehmen wachsen, so König. In der Region sind etwa 300 Bauern und unzählige Arbeitsplätze in der Logistik von Ardo abhängig. Die Arbeiterkammer versucht daher nun, die Entsendung von Leiharbeitern juristisch zu verhindern.

Das Unternehmen reagiert mit Einschüchterung. Am Mittwoch wurden Breiner rechtliche Schritte wegen des Arbeitskampfes angedroht. Arbeiter würden angesprochen und mit einer 700-Euro-Einmalzahlung und einem gratis Kebab geködert, damit sie schriftlich bestätigen, sich nicht weiter am Streik zu beteiligen. Besonders Lehrlinge würden vom Konzern angegangen, manche »mit Whats-App-Nachrichten tyrannisiert«, weiß Breiner.

Doch die Betriebsräte sind entschlossen und siegessicher. »Irgendwann müssen sie doch sagen: ›Reden wir‹«, so Breiner. Ein Sieg bei Ardo in Groß-Enzersdorf könne ein Zeichen für die kommende Herbstlohnrunde sein. »Wir sind bereit, so lange zu streiken, bis wir etwas bekommen.«

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