Tageskonferenz: Der Bandera-Komplex
Gegründet 1947 Sa. / So., 23. / 24. September 2023, Nr. 222
Die junge Welt wird von 2732 GenossInnen herausgegeben
Tageskonferenz: Der Bandera-Komplex Tageskonferenz: Der Bandera-Komplex
Tageskonferenz: Der Bandera-Komplex
Aus: Ausgabe vom 26.07.2023, Seite 8 / Abgeschrieben

Tübinger Gemeinderat verabschiedet Antrag zum »Radikalenerlass«

Proteste_gegen_Beruf_72464326.jpg
Demonstration gegen »Berufsverbote« (Stuttgart, 6.12.1975)

Im Tübinger Gemeinderat sprach Gerlinde Strasdeit am Montag für Die Linke zu einem im Anschluss angenommenen überfraktionellen Antrag zum »Radikalenerlass«:

(…) Der »Radikalenerlass« gilt bis heute als eine der umstrittensten politischen Maßnahmen aus der Zeit der sozial-liberalen Koalition. Mit ihrem Beschluss wollten Bund und Länder 1972 den Eintritt von politischen Extremisten in den öffentlichen Dienst verhindern. Sämtliche Bewerberinnen und Bewerber wurden fortan pauschal durch eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz überprüft – ob ihre politischen Aktivitäten auf eine verfassungsfeindliche Einstellung schließen ließen. Vor allem Mitglieder der DKP und anderer linker Organisationen waren von der Maßnahme betroffen, was für viele einem Berufsverbot gleichkam. (…) Auch für mehr als 30 Betroffene, die in Tübingen studiert, gelebt und gearbeitet haben, hatte der Erlass schwerwiegende Folgen. (…)

Schon vor 2021 hat eine Vielzahl von Persönlichkeiten aus Politik, Gewerkschaften, Wissenschaft und Kultur gemeinsam einen Aufruf unterzeichnet: den Radikalenerlass generell offiziell aufzuheben, die Betroffenen vollumfänglich zu rehabilitieren und zu entschädigen und die Folgen der Berufsverbote und ihre Auswirkungen auf die demokratische Kultur wissenschaftlich aufzuarbeiten. Der interfraktionelle Antrag der Linken, der SPD und der FRAKTION will, dass der Gemeinderat der Stadt Tübingen sich dieser Forderung anschließt und die baden-württembergische Landesregierung und den Landtag aufruft, den Forderungen der Betroffenen nach Rehabilitierung und Entschädigung sowie Aufarbeitung und Entschuldigung nachzukommen. (...)

Die VVN-BdA Kassel würdigte am Montag den verstorbenen Antifaschisten Geert Platner:

Traurig nehmen wir Abschied von einem langjährigen politischen Weggefährten, der viele Jahrzehnte mit der antifaschistischen Erinnerungsarbeit und dem politischen Vermächtnis der Überlebenden verbunden war. Als engagierter Lehrer motivierte er seine Schülerinnen und Schüler, sich kritisch mit dem Thema »Schule im Dritten Reich« zu beschäftigen. Er vermittelte ihnen Zeitzeugen als Gesprächspartner, die bei den Jugendlichen eine solche Begeisterung auslösten, dass Geert Platner und seine Klasse einen entscheidenden Beitrag dazu leisteten, dass der Kommunist und Buchenwald-Häftling Wilhelm Hammann eine Würdigung als »Gerechter unter den Völkern« in der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem erfuhr. (...)

Sein Interesse galt unter anderem dem pazifistischen Offizier und Schriftsteller Hans Paasche, zu dessen 100. Todestag Platner im Mai 2020 eine ausführliche Würdigung in der jungen Welt veröffentlichte (...). Als andere von »Flüchtlingswellen« fabulierten, ergriff Geert Platner die Initiative und sammelte Hilfsgüter für Menschen in den griechischen Flüchtlingslagern. (…) In den letzten Jahren war er zudem ein aktiver Weggefährte des Kasseler Friedensforums. Er appellierte, dass die Stimme der Friedensbewegung angesichts der aktuellen Bedrohung durch die militärische Eskalation im Ukraine-Krieg und die zunehmende Gefahr eines Atomkrieges deutlicher vernehmbar sein müsse.

(…) Seine eigene Kraft ließ aus gesundheitlichen Gründen in den letzten Jahren deutlich nach. Er starb am 21. Juli 2023 in Ahnatal-Weimar. Er wird uns fehlen.

Sommerabo

Du kannst 75 Ausgaben der gedruckten Tageszeitung junge Welt für 75 Euro lesen und täglich gut recherchierte Analysen zu tagesaktuellen Themen erhalten. Schenke dir, deinen Freundinnen und Freunden, Genossinnen und Genossen oder Verwandten ein Aktionsabo und unterstütze konsequent linken Journalismus.

Regio:

Das Onlineabo der Tageszeitung junge Welt testen: Drei Monate für 18 Euro.