Ultimative Feinderklärung
Von Sevim Dagdelen
Weder das Bekenntnis zur Intensivierung des Stellvertreterkrieges der NATO gegen Russland, noch die Blockade diplomatischer Initiativen der Ukraine und das überbordende Hofieren des türkischen Staatspräsidenten waren das Bemerkenswerteste des Gipfels in Litauen, sondern die Kampfansage der Militärallianz an China. Was mit dem NATO-Gipfel im vergangenen Jahr durch die Markierung Chinas als »systemischer Rivale« begonnen hatte, wurde in Vilnius drastisch zugespitzt, ganz als wäre ein kommender Krieg gegen Beijing die neue Agenda.
China wird in der Abschlusserklärung des Gipfels als Herausforderung für die Interessen der NATO beschrieben. Die Volksrepublik »strebt danach, die regelbasierte internationale Ordnung umzustürzen«, heißt es wie in einer ultimativen Feinderklärung. In der Folge werden durch die NATO China detaillierte Vorschriften gemacht, wie es sein Verhältnis zu Russland auszugestalten habe. Sprache und Duktus der NATO-Erklärung gegenüber China erinnern an die Zeit der ungleichen Verträge in der Ära des Kolonialismus.
Kein Zweifel: China ist für die NATO der Hauptfeind, den es niederzuwerfen gilt. Dabei globalisiert sich der Militärpakt und schmiedet in Asien neue Allianzen. Japans Premierminister Fumio Kishida durfte stolz auf dem Gipfel verkünden, dass sein Land und die NATO ein Abkommen für ein neues Partnerschaftsprogramm unterzeichnet haben. Das Expansionskonzept der US-geführten NATO in Richtung Asien und Indopazifik zur Herausforderung Chinas wurde durch die Einladung Japans, Südkoreas, Australiens und Neuseelands zum Gipfel unterstrichen. Blaupause für die NATO-Expansion nach Asien scheint die Erweiterung des Militärpakts nach 1990 bis an die russische Grenze zu sein. Einstweilen wird dies noch in Partnerschaftsprogrammen mit Staaten Asiens fixiert, aber die Perspektive steht klar in Richtung einer NATO mit Weltgeltungsanspruch, die ihren namensgebenden Bündnisbereich des Nordatlantiks weit hinter sich lässt. Auch auf dem »NATO Public Forum« zur Begleitung des Gipfels, auf dem NATO-Verantwortliche mit NATO-Thinktank-Vertretern und handverlesenen, offenbar als besonders NATO-freundlich eingestuften Journalisten diskutieren, stand die neue Front gegen China hoch im Kurs der Debatten und der Ruf nach einer »regelbasierten Ordnung«.
Die NATO entpuppt sich als regelrechte Lügenallianz. Zur Aufrechterhaltung der US-Hegemonie setzt sie auf eine ätzende Doppelmoral und fordert stets von anderen ein, an was man sich selbst nicht halten mag. Es nimmt nicht wunder, dass der Einsatz von Streubomben durch Nichtmitglieder als Kriegsverbrechen gegeißelt wird, die Lieferung dieser Mordinstrumente an NATO-Verbündete aber geradezu als humanitäre Pflicht gilt.
Sevim Dagdelen ist Mitglied des Deutschen Bundestages
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vom 13.07.2023
Alle Spiele in und um Taiwan nur Spaß, Neckerei unter Großmächten, darf nicht ernst genommen werden. Alle klaren Ansagen westlicher Politik gegen China dürfen gar nicht erwähnt werden, auf Friedenswillen der NATO, USA und westlicher Wertegemeinschaft haben alle gefälligst zu vertrauen. Zweifel ist untersagt und wenn es die Praxis tausendfach erwiesen hat. Wirtschaftskrieg gegen China, wo gibt es den?
Kriegsdrohungen, militärisches Aufmarschgebiet, wo gibt es das um China oder auch um Russland? Wer so etwas erwähnt, ist Friedensfeind, wie wir seit geraumer Zeit zu hören bekommen. Wagenknecht ist deshalb »rechtsoffen«, weil sie zum Ukraine-Krieg einige Wahrheiten und Vorgeschichte nur sehr behutsam erwähnt hat. Dagdelen gilt zur aktuellen China-Politik als Friedensfeindin, die Friedensbotschaften des Westens nicht sehen will. Feinderklärungen des Westens hat es offenbar nie gegeben. Westliche Bedrohung wegreden, das ist Athmosphäre die der Weltkrieg noch braucht. Wie zu besten vergangenen Kriegszeiten dieser Welt.
Wir könnten mal an zahllose Friedensangebote Russlands, Putins oder auch Chinas erinnern, was aber in Umkehrung keineswegs erwünscht sein dürfte, nicht gilt und bestimmt erlogen ist. Nun warten wir die angekündigte Friedensbotschaft unserer Außenministerin zu China ab, die von Friedenswillen nur so triefen wird. Unter dem Strich bleibt immer nur ein Fakt unverrückbar: Ob Russland, China oder wer auch immer, wer sich den Erwartungen, Wünschen, Vorgaben, handfesten, brutalsten, unmenschlichsten Sanktionen und Befehlen der westlichen Wertegemeinschaft nicht bedingungslos unterwirft, beugt, ihnen folgt, sich wehrt, eigne Interessen verfolgt, der ist der Friedensfeind, Aggressor und brutale Kriegsverbrecher, wenn er es wagt sich mit allen Mitteln zu wehren. Unterwerfen, Ausliefern, Aufgeben, zu Kreuze kriechen ,selbsternannter Weltmacht Tribut zollen, sich unterordnen, das ist imperiale Friedenspolitik. Russland und China spielen im imperialen Orchester heute mit, nur immer waren unter diesen Mächten die Interessen nie gleich und auch Interesse an Krieg und Unterwerfung anderer nie gleich ausgeprägt. Deutschland und USA haben ihre Visitenkarten hinreichend der Welt schon lange gegeben. Wer will das wissen, darf oder soll es wissen?
In ewigen Wahnglauben leben Menschen und Politik heute wieder, die noch nie von Geschichte drei Buchstaben lesen, verstehen konnten oder selbst ausgemachte Kriegsgewinner – Träumer sind, die mit Krieg Frieden zu schaffen gedenken gegen die Interessen, gegen Sicherheit des Rests der Welt. Die Welt könnte es wissen und kennen.