Landraub im Namen Buddhas
Von Henning von Stoltzenberg
Die Enteignung von tamilischen Landbesitzern in Sri Lanka ist eine Strategie, die der nationalistisch-singhalesische Zentralstaat bereits seit dem Ende des Bürgerkrieges im Jahr 2009 betreibt. Neben der verstärkten Errichtung von Militäranlagen, von denen aus dann auch Landwirtschaft betrieben wird und der tamilischen Bevölkerung die Lebensgrundlagen entzieht, ist der Landraub ein weiterer Pfeiler einer gezielten Vertreibungspolitik. Jüngster Fall ist die Eröffnung eines buddhistischen Tempels in der Region Jaffna. Am Dienstag ging die Polizei dort gewaltsam gegen einen Protest tamilischer Anwohner und Aktivisten vor – unverhältnismäßig, wie Demonstranten berichteten.
Unter den Festgenommenen war auch der Abgeordnete Selvarajah Kajendran, der für die linksgerichtete Tamil National Peoples Front (TNPF) im Parlament sitzt. Es ist bereits das dritte Mal in diesem Jahr, dass der Abgeordnete auf Demonstrationen verhaftet wurde. Kajendran kam nach einer Weile wieder auf freien Fuß und durfte als einzige Person auf einem Nachbargrundstück mit einem Schild gegen den Landraub protestieren, während neun weitere Personen in eine Militäreinrichtung verbracht wurden. »Es ist ja nicht nur ein Tempel, sondern es wurden gleich mehrere illegal gebaut«, erklärte der TNPF-Abgeordnete Gajenrhirakumar Ponnambalam im Gespräch mit jW. Ponnambalam ist ebenfalls in der Bewegung gegen Landgrabbing aktiv und macht gemeinsam mit Kajendran regelmäßig auch im Parlament auf die Machenschaften der Regierung aufmerksam.
Man zerstöre alte tamilische Kultstätten, indem man sie zu alten buddhistischen Stätten erkläre, und dann würden neue buddhistische Tempel an diesen Orten erbaut. »Aber in diesem Fall hat das nichts mit der archäologischen Abteilung zu tun. Statt dessen hatte die Regierung illegal privates Land besetzt, das Tamilen gehörte«, so Ponnambalam. So seien in den vergangenen anderthalb Jahren illegal buddhistische Tempel in diesem Gebiet errichtet worden, »einem Gebiet, in dem kein einziger Buddhist lebt«. Auch in dem jüngsten Fall sei der Bauunternehmer die Armee gewesen. Erst vor anderthalb Jahren sei das Bauvorhaben bekanntgeworden. Nachdem die beiden Parlamentarier Einspruch beim Bezirkskoordinierungsausschuss erhoben hatten, erreichten sie schließlich, dass die Regierung zusicherte, alle Bauarbeiten zu stoppen, bis ein von Regierungsseite ernannter Ausschuss die Angelegenheit untersucht habe. Trotz dieser Zusicherungen habe das Militär jedoch einfach weitergemacht und die Bauarbeiten abgeschlossen. Hinzu kommt, dass das Gebiet im Grunde eine No-go-Area ist, da es in der Nähe der Hochsicherheitszone liegt, die Zivilisten nicht betreten dürften.
Als bekannt wurde, dass der Tempel eingeweiht werden soll, hätten die Aktivisten beschlossen zu protestieren, um die Öffentlichkeit darüber zu informieren, erklärt Ponnambalam. Den Medien wurde der Zugang zur Demonstration demnach verweigert, von den festgenommenen sechs Männern und drei Frauen gibt es aktuell keine Nachricht über ihren Gesundheitszustand, außer dass sie im Militärkomplex »Palali KKS« festgehalten werden. »Das letzte, was wir gehört haben, ist, dass sie noch nicht einmal ihre Aussagen aufgenommen haben. Sie ziehen die Dinge absichtlich in die Länge, um sie, wie wir vermuten, für die maximale Dauer von 48 Stunden in Gewahrsam halten zu können.«
Der Internationale diplomatische Rat Tamil Eelams mit Sitz in Kopenhagen verurteilte am Dienstag in einer Stellungnahme die Behinderung der Proteste und forderte die »internationale Gemeinschaft« auf, sich gegen den strukturellen Völkermord und die Menschenrechtsverletzungen in Sri Lanka zu positionieren und für eine dauerhafte politische Lösung einzutreten. Der srilankische Staat unterdrücke weiterhin das tamilische Volk und begehe schwere Menschenrechtsverletzungen, darunter die unrechtmäßige Besetzung tamilischen Landes. Ponnambalam sieht für sich und seine Mitstreiter keinen anderen Weg als weiter zu protestieren – Vertrauen in das Justizsystem Sri Lankas haben sie nicht.
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