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Aus: Ausgabe vom 18.03.2023, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Arbeitskampf

Die markigen Sprüche und der Verrat

UK-Streikbewegung: Großgewerkschaft knickt ein, Finanzminister stellt Haushaltspläne vor
Von Christian Bunke
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Die größte Gewerkschaft Unison empfiehlt ihren Mitgliedern aus dem NHS das Fünf-Prozent-Angebot der Regierung, also einen Abschluss weit unter der Inflationsrate des vergangenen Jahres

Als der konservative britische Finanzminister Jeremy Hunt am Mittwoch seinen neuesten Haushaltsentwurf im Londoner Unterhaus vorstellte, wurde das von landesweiten Massenstreiks begleitet. 130.000 Beamte aus ganz Großbritannien legten für einen Tag ihre Arbeit nieder, ebenso 200.000 Lehrerinnen und Lehrer in England sowie 10.000 Beschäftigte der Londoner U-Bahn. Für 36.000 englische Ärzte in Ausbildung war es der dritte Streiktag.

Der kleinste gemeinsame Nenner aller Streikenden ist die Forderung nach Lohnerhöhungen im zweistelligen Bereich, um die inflationsbedingten Einbußen des vergangenen Jahres sowie die akkumulierten Lohnkürzungen der vergangenen 18 Jahre zumindest ansatzweise auszugleichen. In dieser Hinsicht hat der Finanzminister nichts zu bieten. Beschäftigte des öffentlichen Dienstes erwähnte Hunt in seiner Rede mit keinem einzigen Wort.

Die Reaktionen aus der Gewerkschaftsbewegung fielen entsprechend schlechtgelaunt aus. »Der Finanzminister hatte die Chance, den staatlichen Gesundheitsdienst NHS zu retten. Statt dessen hat er die falsche Wahl getroffen und einen historischen Verrat begangen«, sagte zum Beispiel Sharon Graham, Generalsekretärin der großen Gewerkschaft Unite. Und Paul Nowak, Generalsekretär des Gewerkschaftsbundes TUC, führte aus: »Der Finanzminister sprach in seiner Rede von einer auf Fachkräften beruhenden Wirtschaft, hat aber nichts getan, um zu liefern. Großbritannien leidet immer noch unter der langwierigsten Phase der Lohnstagnation seit über 200 Jahren.«

Den markigen Sprüchen steht entgegen, dass die größte Gewerkschaft Unison ihren Mitgliedern aus dem Gesundheitsbereich das Angebot einer fünfprozentigen Lohnerhöhung zur Zustimmung empfehlen möchte, also einen Abschluss weit unter der Inflationsrate des vergangenen Jahres. Es sei ein großer Erfolg, dass die Regierung durch Streiks überhaupt zu einer Lohnerhöhung habe gezwungen werden können, so die Gewerkschaft in einer Aussendung vom Donnerstag.

Tatsächlich ist sich Hunt des Drucks im Kessel sehr wohl bewusst. Allerdings sieht er mit seiner marktwirtschaftlichen Orientierung nur geringen Handlungsspielraum. Den versucht er zu nutzen. So sticht als große Maßnahme das Versprechen zur Einführung kostenloser Kindergartenplätze bis zum Jahr 2025 heraus. Allerdings nur für Familien, in denen beide Elternteile arbeiten. Gegenwind erhielt Hunt dafür aus den eigenen Reihen. Das Finanzministerium plane eine »Verstaatlichung der Kindheit«, kritisierte die konservative Kommentatorin Miriam Cates am Donnerstag in der Tageszeitung Daily Telegraph.

Stress mit der eigenen Partei, hier vor allem aus Richtung des marktradikalen Flügels rund um die ehemalige Kurzzeitpremierministerin Elizabeth Truss, gibt es unter anderem wegen der geplanten Anhebung der Unternehmenssteuern von 19 auf 25 Prozent. Diese und weitere Steuererhöhungen sollen innerhalb der kommenden fünf Jahre 120 Milliarden Pfund zusätzlich in die Staatskassen spülen. Damit will Hunt sich den nötigen Spielraum für Transferleistungen im geringen Ausmaß schaffen. So wird die staatliche Preisgarantie für Energie in Privathaushalten um drei Monate verlängert. Laut Financial Times stößt das auf die Zustimmung der großen Energiekonzerne. Am 15. März zitierte das Blatt Forderungen der Unternehmensvorstände von Eon und Centrica nach einer dauerhaften Einführung dieser aus Steuergeldern finanzierten Preisdeckelung. Aus Sicht der Konzerne werden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Die Bevölkerung wird befriedet, gleichzeitig sorgt der Staat für den Erhalt der Profitmargen.

Dennoch kommt kein konservatives Budget ohne Steuererleichterungen für Besserverdienende aus. In diesem Fall sollen Menschen begünstigt werden, die als Sparer in private Pensionsfonds einzahlen. Zukünftig sollen Höchstgrenzen, ab denen Steuern zu zahlen wären, abgeschafft werden. So helfen die Tories den Reichen bei der Vermögensbildung. Die Erben werden es ihnen danken.

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