Festung BRD
Von Annuschka Eckhardt
Freude bei Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil: »Das war heute endlich einmal wieder eine Routine-Ministerpräsidentenkonferenz. Wir haben wichtige Themen besprochen und waren uns über die Parteigrenzen hinweg weitestgehend einig.« Einigkeit herrschte vor allem bei der Forderung nach schnelleren Abschiebungen von Asylsuchenden und Forderungen nach mehr finanzieller Unterstützung vom Bund für deren Unterbringung. Am Donnerstag tagten die Ministerpräsidenten und kamen zu dem wenig überraschenden Ergebnis: »Die Zuflucht suchenden Menschen kommen dabei nicht nur aus der Ukraine, sondern zunehmend aus anderen Drittstaaten«, wie es in dem anschließend veröffentlichten Beschluss heißt. Zum Teil habe sich die Zahl der Geflüchteten aus bestimmten Regionen gegenüber dem Vorjahr verdoppelt. Daneben fassten die Ministerpräsidenten auch Beschlüsse zu Energiepreisen, Engpässen in der Arzneimittelversorgung und zum Besserstellungsverbot beim Zugang zu Förderprogrammen des Bundes.
Weil betonte, bisher verweigerten es die Herkunftsstaaten häufig, Menschen ohne »Bleiberecht« wieder bei sich aufzunehmen. Daher soll es in einer Bund-Länder-Runde am 10. Mai mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nicht nur um die Finanzierung der Kosten für die Unterbringung von Asylsuchenden gehen, sondern auch um die Frage, wie es »gelingen« könne, dass »weniger Menschen zu uns kommen, die am Ende des Tages kein Recht dazu haben«. Auf europäischer Ebene seien weitere Anstrengungen nötig, um die »Kontrolle und den Schutz der EU-Außengrenzen wirksamer« zu gestalten.
Zur substantiellen Entlastung von Ländern und Kommunen sei neben finanzieller Unterstützung auch ein »effektives Rückführungsmanagement für Menschen ohne
Bleiberecht« von großer Bedeutung. Um zu Verbesserungen bei der Durchsetzung vollziehbarer Ausreisepflichten zu kommen, müsse auch der Bund die Voraussetzungen schaffen, wie es in dem Beschluss heißt. Thüringen, wo die Linkspartei den Ministerpräsidenten stellt, fügte noch eine Protokollerklärung hinzu: »Die europäische Flüchtlings- und Migrationspolitik braucht dringend eine Weiterentwicklung mit dem Ziel, legale und geordnete Migration zu ermöglichen, um die Gefährdung von Menschenleben zu verhindern.«
»Der erneute Ruf nach Obergrenzen, Abschiebungen und Grenzzäunen auf der Ministerpräsidentenkonferenz ist schlicht menschenverachtend. Fast täglich sterben Menschen auf der Flucht an Europas Außengrenzen, während sogenannte Grenzschützer dabei zusehen oder sich aktiv an rechtswidrigen Pushbacks beteiligen«, erklärte Clara Bünger, Sprecherin für Flucht- und Rechtspolitik der Fraktion Die Linke im Bundestag, am Freitag gegenüber junge Welt. Es könne nicht sein, dass Deutschland den Zugang zu Asyl noch weiter einschränken wolle. Klar sei aber auch, dass Länder und Kommunen dringend mehr Unterstützung bei der Unterbringung und Versorgung von ankommenden Personen bräuchten. »Nicht nur muss sich der Bund stärker beteiligen, auch müssen die einschränkenden Gesetze zur Lagerunterbringung endlich geändert werden«, so Bünger.
»Die populistischen Forderungen der Ministerpräsidenten sind nicht neu«, sagte Ulrike Seemann-Katz, Vorsitzende des Flüchtlingsrats Mecklenburg-Vorpommern, am Freitag im jW-Gespräch. Es gebe gute Gründe, warum Asylsuchende geduldet würden. »Wir könnten natürlich anfangen, unseren Rechtsstaat aufzulösen«, so Seemann-Katz lakonisch, »dann würden vielleicht auch weniger Menschen kommen.«
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