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Aus: Ausgabe vom 19.09.2022, Seite 3 / Schwerpunkt

Hintergrund:Israels Parteien vor der Wahl

Am Donnerstag um Mitternacht endete in Israel die Anmeldefrist für die Parlamentswahl am 1. November. Fast bis zur letzten Minute wechselten die Meldungen über die Zusammensetzung der Gemeinsamen Liste. Erst gegen 23 Uhr stand fest, dass die arabisch-nationalistische Balad diesmal allein antreten will. Damit besteht das Wahlbündnis überwiegend arabischer Parteien und Listenverbindungen jetzt nur noch aus der Chadasch, an der auch die Kommunisten beteiligt sind, und der Taal. Dem erstmals 2015 gebildeten Bündnis gehörten zunächst vier Parteien an, von denen sich die Vereinigte Arabische Liste aber schon vor der Wahl 2021 für eine Alleinkandidatur unter dem Namen Raam entschied. Sie war – als erste arabische Partei in der Geschichte Israels – an der danach gebildeten Koalitionsregierung beteiligt, deren Rücktritt die bevorstehende Neuwahl erforderlich machte. Es ist die fünfte in nur vier Jahren.

Durch die Trennung der Balad von der Gemeinsamen Liste besteht das Risiko, dass sowohl sie als auch Balad an der 3,25-Prozent-Hürde scheitern und in der nächsten Knesset nicht vertreten sind. Damit würden die Chancen des früheren Langzeitpremierministers Benjamin Netanjahu steigen, die nächste Regierung führen zu können. Die letzten Umfragen sehen Netanjahus traditionellen Unterstützerblock zwischen 58 und 60 Abgeordneten, während die Träger der bisherigen Regierungskoalition zwischen 55 und 57 Mandate bekommen würden. Theoretisch könnte dann der Gemeinsamen Liste, falls sie in der nächsten Knesset vertreten ist, entscheidende Bedeutung bei der Bildung der Regierung zukommen.

In Wirklichkeit ist aber unwahrscheinlich, dass das erstmalige und letztlich gescheiterte Experiment der Koalition von acht teilweise grundverschiedenen Parteien in naher Zukunft wiederholt werden wird. Praktisch bedeutet das vermutlich, dass entweder Netanjahu eine regierungsfähige Mehrheit zusammenbekommt oder das Karussell der Neuwahlen sich weiterdrehen wird.

Sofern die Umfragen kein falsches Bild liefern, ist mit einer Rechtsverschiebung der Knesset zu rechnen. Der radikalsten Formation, dem Bündnis um die Religiös-Zionistische Partei, wird eine Verdoppelung der Mandate von sechs auf zwölf prognostiziert. Die Jamina des bis zum Rücktritt amtierenden Premierministers Naftali Bennett hat sich de facto aufgelöst und tritt nicht wieder an. Ihre führenden Politikerinnen und Politiker sind neue Verbindungen eingegangen oder sie haben sich mindestens für eine Pause »aus der Politik zurückgezogen«. Da das gesamte Führungspersonal der Jamina irgendwann in der Vergangenheit nicht nur der rechten Hauptpartei Likud, sondern sogar Netanjahus Mitarbeiterkreis angehört hat, ist ein Rückstrom nicht ausgeschlossen. (km)

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