Teslas Raubbau
Von Oliver Rast
Der Flächenfraß soll weitergehen. US-Elektroautobauer Tesla will das Areal seiner Gigafactory im ostbrandenburgischen Grünheide (Landkreis Oder-Spree) erweitern, deutlich. Um einen Güterbahnhof, mehr Logistikflächen und weitere Stellplätze für Fahrzeuge. Auf Kosten des angrenzenden Waldes, rund 100 Hektar müssten dafür gerodet werden. Das bleibt nicht ohne Widerspruch, seitens der Umweltpartei ÖDP etwa.
Tesla macht Tempo, stellte nach Angaben der Gemeinde Grünheide am Mittwoch einen Antrag zur Einleitung eines Bebauungsplanverfahrens für das Bahnhofsprojekt samt Umfeld. »Das ist eine Fläche, die ist noch nicht mit einem B-Plan belegt«, sagte Bürgermeister Arne Christiani (parteilos) am Donnerstag auf dpa-Anfrage. Zuvor hatte der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) darüber berichtet. Die bewaldete Fläche grenzt an das bisherige 300 Hektar große Tesla-Gelände, das teilweise in einem Trinkwasserschutzgebiet liegt. Über den erforderlichen B-Plan berät Christiani zufolge der Hauptausschuss der Gemeinde am Donnerstag, den 2. Juni. Wenn dieser, wovon auszugehen ist, eine Empfehlung gibt, könnte die Gemeindevertretung am 23. Juni darüber entscheiden. Das Verfahren für einen Bebauungsplan könnte bis zu einem Jahr dauern, prognostiziert Christiani.
Was passiert da? Im Rahmen eines Bebauungsplans legt der Gemeinderat eine Satzung fest. Darin wird geregelt, was unter welchen Bedingungen auf einem definierten Grundstück gebaut werden darf. Die formalen Anforderungen eines genehmigten B-Plans sind geringer als bei einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Das wissen Tesla-Boss Elon Musk und seine Fanboys im Gemeinderat. Denn bei einer UVP erfassen die Gutachter zuerst die ökologische Ausgangssituation vor Ort. Gewissermaßen als Basis für die Prüfung der Antragsunterlagen des Vorhabens und von dessen technischer Umsetzung.
Für Tesla wäre eine Erweiterung mittels eines positiv abgeschlossenen Bebauungsplanverfahrens ein neuer Etappensieg, ein zusätzlicher Geländegewinn. Erst im März hatte das Landesamt für Umwelt (LfU) – die zuständige, dem Landesumweltministerium unterstellte Behörde – die Auto- und Batteriefabrik in Grünheide genehmigt. Trotz zahlreicher Proteste durch Anwohner und Naturschutzverbände. Seitdem ist dort die Produktion tonnenschwerer Elektromobile angelaufen. In einer ersten Ausbauphase will Tesla rund 500.000 Fahrzeuge jährlich vom Band rollen lassen und rund 12.000 Arbeiter beschäftigen. Rückendeckung erhält der künftige Marskolonisator Musk vom Brandenburger Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) – und, wenig überraschend, von der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Potsdam. Steinbach zufolge sei Tesla ein Zugpferd für weitere Konzernansiedlungen im Bundesland rund um Berlin. Nicht von ungefähr forderte die regionale IHK am Donnerstag gegenüber dpa mehr Grund und Boden für Firmen.
Davor warnt hingegen Thomas Löb, insbesondere vor der Expansion Teslas. »Ein Güterbahnhof für ein Industriewerk ist aus unserer Sicht genauso UVP-pflichtig wie der Hauptstadtflughafen BER«, betonte der ÖDP-Vorsitzende in Brandenburg am Freitag gegenüber jW. Alle an der künftigen Bahntrasse gelegenen Gemeinden müssten beteiligt werden, da sie durch die Baumaßnahmen beeinträchtigt würden, »eben analog zum BER«, so Löb weiter. Und noch etwas ist ihm wichtig: Der zur Rodung vorgesehene Wald sei »definitiv kein reiner, toter Kiefernstangenwald, wie so oft behauptet wird«. Im Gegenteil. Die Bestände seien artenreicher als die bereits gerodeten. Bei einer Waldbegehung Anfang Mai zählten Umweltaktivisten 43 Gehölzarten. Löb: »Dieser Wald darf nicht auch noch der Profitmacherei weichen!«
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