Gegründet 1947 Sa. / So., 20. / 21. April 2024, Nr. 93
Die junge Welt wird von 2767 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 18.01.2022, Seite 15 / Betrieb & Gewerkschaft

Pflegebereich: Offene Fragen bei Impfpflicht

Berlin. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und die Gewerkschaft Verdi
beklagen Rechtsunsicherheit bei der Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warnt vor einem personellen Aderlass.

»Wir müssen ab 15. März den Gesundheitsämtern melden, von wem wir keinen Nachweis über eine Impfung bekommen haben«, sagte der DKG-Vorstandsvorsitzende Gerald Gaß den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vom Freitag. Dann müsse das Gesundheitsamt auf diese Beschäftigten zugehen, ihnen eine Frist für die Erbringung des Nachweises setzen und die Krankenhäuser über den aktuellen Stand informieren. Nach Einschätzung der DKG-Juristen sei arbeitsrechtlich nicht eindeutig geklärt, ob die Krankenhäuser Angestellte dann freistellen, wenn sie ab dem 15. März keinen Impfnachweis vorlegen, betonte Gaß. Für Beschäftigte in der Patientenbehandlung, für die kein Homeoffice möglich ist, bedeute das Fehlen einer Impfung praktisch ein Betretungsverbot der Arbeitsstelle. »In diesem Fall können aus unserer Sicht auch keine Gehaltszahlungen mehr stattfinden«, sagte Gaß.

Auch die Gewerkschaft Verdi sieht offene Fragen. »Unsere Rechtsabteilungen stellen sich auf mehr Nachfragen nach Rechtsschutz ein«, sagte die Gesundheitsexpertin im Verdi-Bundesvorstand, Sylvia Bühler, den genannten Zeitungen. Auch laut Bühler wird es »kompliziert« beim Thema Freistellung ohne Gehaltszahlung. »Da raufen sich unsere Juristinnen und Juristen schon jetzt die Haare«, sagte sie. Aber es könne nicht sein, dass Ungeimpfte mit Lohn freigestellt würden, während die geimpften Beschäftigten zusätzliche Arbeit erledigen müssen. Das sei eine sehr schwierige Diskussion in Belegschaften und Betrieben. »Es wird unruhig werden«, befürchtete Bühler.

Die Gewerkschaft spricht sich dagegen aus, Beschäftigten wegen fehlender Impfnachweise zu kündigen. »Niemand darf dem Gesundheitswesen ganz verlorengehen, wir brauchen alle Arbeitskräfte«, betonte Bühler. Gerade in Regionen mit einer geringen Impfquote fänden sich auch mehr ungeimpfte Beschäftigte. »Dort würde die Neuregelung die Situation in den Einrichtungen also überdurchschnittlich verschärfen.«

Auch der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, warnte: »Mit dem Beschluss einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht für Mitarbeiter in Pflegeheimen und Krankenhäusern riskiert die Bundesregierung eine Verschärfung des Fachkräftemangels«, sagte Brysch der Passauer Neuen Presse (Sonnabendausgabe). »Damit gerät die professionelle Versorgung schwerkranker und pflegebedürftiger Menschen in Gefahr.« Bei zehn Prozent weniger Beschäftigten könnten »200.000 Pflegebedürftige nicht mehr ihrer Würde entsprechend betreut werden«, sagte er. (dpa/jW)

Ähnliche:

  • Krankenpflegerin mit Schutzausrüstung in der Intensivstation (Ro...
    11.12.2021

    Impfpflicht mit Nebenwirkungen

    Bundestag stimmt für obligatorische Covid-19-Impfung im Krankenhaus- und Pflegebereich. Kritik von Gewerkschaft Verdi
  • Müde und erschöpft: Medizinisches Personal in türkischen Klinike...
    08.12.2021

    Gesundheitspersonal streikt

    Türkei: 250.000 Beschäftigte der medizinischen Versorgung im Ausstand für bessere Arbeitsbedingungen
  • Im Handel ist sie nicht sehr beliebt, im Betrieb soll sie einfac...
    07.12.2021

    Wirtschaft macht Druck

    Mittelstand beklagt 3G-Regel als aufwendig und teuer. Gewerkschaften zweifeln an Nutzen von Impfpflicht und plädieren für tägliche Tests

Mehr aus: Betrieb & Gewerkschaft