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Aus: Ausgabe vom 20.07.2021, Seite 3 / Schwerpunkt

Hintergrund: 20 Jahre danach

Zu Beginn des Jahrtausends war die Globalisierung in aller Munde. Die Regierenden begrüßten euphorisch den rasant wachsenden Welthandel. Bei Gewerkschaften und sozialen Bewegungen herrschten dagegen Skepsis oder Ablehnung vor. Für den Freihandel sollten Rechte beschnitten und Umweltschutzmaßnahmen ausgehebelt werden. Ein Beispiel dafür sind die verschiedenen Investitionsschutzabkommen, für die insbesondere die deutsche Regierung warb. Hierzulande wurden sie später von Vattenfall genutzt, um vor einem internationalen, im geheimen tagenden Schiedsgericht gegen den deutschen Atomausstieg oder Umweltauflagen für das Kraftwerk Moorburg zu klagen.

Dennoch war die globalisierungskritische Bewegung in Deutschland zunächst eher schwach, was auch mit der Übermacht der hiesigen Exportwirtschaft zu tun haben mochte. Während sich einzelne Gruppen und Organisationen schon vor dem G8-Gipfel in Genua 2001 anlässlich von EU-Gipfeln oder auch der WTO-Tagung in Seattle an internationalen Mobilisierungen beteiligt hatten, war die Kritik an der Globalisierung zunächst eher Nischenthema.

Genua sollte das ändern. Schon einige Zeit zuvor hatte sich ein deutscher Ableger der französischen »Association pour une taxation des transactions financières pour l’aide aux citoyens« gegründet (Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen zum Wohle der Bürger), besser bekannt unter dem Akronym ATTAC. In Frankreich war ATTAC als Antwort auf die große Finanzkrise 1997/98 entstanden und wurde zu Beginn des Jahrtausends zum Motor der dortigen globalisierungskritischen Mobilisierungen. Hierzulande spielte die Gruppe zunächst nur eine bescheidene Rolle.

Das änderte sich schlagartig mit den Protesten in Genua. Binnen weniger Monate wuchs ATTAC Deutschland zu einem Netzwerk weitgehend autonomer Orts- und Regionalgruppen mit weit über 10.000 Mitgliedern. Einige Jahre lang war die Gruppierung mit ihrer Kritik an den Finanzmärkten, dem Freihandel und den entsprechenden internationalen Abkommen in den Medien so präsent wie heute die »Fridays for Future«-Bewegung.

Später ließ das Medieninteresse nach. Trotzdem spielte ATTAC weiterhin eine Rolle im Widerstand gegen den Irakkrieg und lokale ATTAC-Gruppen leisteten um 2010 einen wichtigen Beitrag bei der Verhinderung einer ganzen Reihe neuer Kohlekraftwerke und im Kampf gegen die Privatisierung der Wasserversorgung. Heute hat das Netzwerk etwa 28.000 zahlende Mitglieder in 150 Ortsgruppen, die unter anderem in den Auseinandersetzungen um den Autobahnbau durch den Dannenröder Forst in Hessen, bei den Protesten gegen die Internationale Automobilausstellung im September in München oder auf den Klimademos der Schülerinnen und Schüler zu finden sind. (wop)