Grenellino des Tages: Andrij Melnyk
Von Reinhard Lauterbach
Eigentlich gehört es zum guten Ton der Diplomatie, sich in die inneren Angelegenheiten seines Gastlandes nicht einzumischen. Und weil Manieren das eine sind und Interessen etwas anderes, steht das Einmischungsverbot sogar im »Wiener Übereinkommen über die diplomatischen Beziehungen«. Weil die Versuchung, es doch zu tun, halt allzu groß ist.
Wenn der Entsendestaat so groß ist wie das Schlappmaul seines Botschafters, wird so etwas hingenommen, wenn auch missbilligend: So soll, schrieb unlängst der Spiegel, US-Präsident Donald Trumps Lautsprecher Richard Grenell in seiner ganzen Berliner Zeit kein einziges Mal im Kanzleramt empfangen worden sein. Jetzt ist Grenell weg und die Rolle der diplomatischen Krawallschachtel zu besetzen. Andrij Melnyk, Botschafter der Ukraine in Deutschland, hat das erkannt.
Aktuell hat er sich die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern vorgenommen. Manuela Schwesig (SPD) inszeniere um die Gaspipeline Nord Stream 2 ein »unglaubliches Spektakel«, das ihn an »Schummellieschen und Hütchenspiel« erinnere. Das in Schwerin erdachte Stiftungsmodell sei »brandgefährlich für die Energiewende«, dozierte der Vertreter eines Landes, das ganze 3,4 Prozent seiner Primärenergie aus erneuerbaren Quellen bezieht, dagegen 34 Prozent aus Kohle. Und auch wenn das Stiftungsmodell formalrechtlich in Ordnung und sogar »smart« sei, hinterlasse es »einen Scherbenhaufen« und mache Deutschland »international keine Freunde«. Sagen wir mal, in Kiew. Anlass für Melnyk, einen »Ordnungsruf« der Bundesregierung zu verlangen.
Wo er recht hat, hat er recht. Hätte die Bundesregierung die USA entsprechend deutlich aufgefordert, ihre Finger aus der europäischen Energiepolitik zu lassen, wäre die Schweriner Stiftungstrickserei nicht nötig gewesen. So aber kriegt, wer den Grenell glücklich los ist, das Grenellchen.
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vom 18.01.2021
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