Entlassungen trotz Pandemie
Von Steve Hollasky
Der meist überschwengliche Dank von Politikern an Pflegekräfte ist weltweit zum prägenden Bild der Pandemie geworden. Dieser ist den Beschäftigten jedoch nur solange gewiss, wie sie sich nicht öffentlich in Kritik üben. Erst kurz vor Jahresende hatte die Hamburger Asklepios-Klinik St. Georg gegen Romana Knezevic die Kündigung ausgesprochen, nachdem die Pflegefachkraft und Betriebsrätin die Zustände in ihrer Einrichtung im NDR zum Thema gemacht hatte (siehe jW vom 30. Dezember 2020). Dass dieses Vorgehen der »Arbeitgeber« längst nicht auf Deutschland beschränkt bleibt, zeigt nun ein Beispiel aus Nigeria.
Entgegen der veröffentlichten Zahlen scheint die Ausbreitung des Coronavirus dort inzwischen sehr hoch zu sein. Das hielt die Leitung des »Olabisi Onabanjo University Teaching Hospital« (OOUTH) Ende vergangenen Jahres nicht davon ab, zwei ihrer Pflegekräfte kurzerhand vor die Tür zu setzen. Das Krankenhaus war 1986 gegründet worden, um medizinisches Personal auszubilden und befindet sich im Eigentum der Provinzregierung von Ogun. Zunächst hatte die Klinikleitung gegenüber dem Krankenpfleger Prince Tega die Kündigung ausgesprochen, weil er sich an der Vorbereitung eines vom nigerianischen Gewerkschaftsverband angekündigten Streiks beteiligt hatte. Der National Labour Congress (NLC) hatte seine Mitglieder zu einem Ausstand aufgerufen, nachdem die Preise für Strom und Ölprodukte deutlich gestiegen waren. Trotz umfangreicher Vorbereitungen zog der Gewerkschaftsverband den Aufruf am Vorabend des ersten Streiktages zurück. Infolgedessen kam es zu keinen Arbeitsniederlegungen. Dennoch wurde Tega entlassen. Die Klinikleitung begründete dies mit seiner Beteiligung an den Streikvorbereitungen.
Genau hierin sieht Rufus Olusesan, der Vorsitzende des Campaign for democratic and workers rights« (CDWR) in Nigeria, einen Skandal. Schon die kurzfristige Absage des Streiks durch die Gewerkschaften bewertet er äußerst kritisch, wie er am Montag im Gespräch mit jW erklärte. So sei der Arbeitskampf abgesagt worden, obwohl es »keinerlei Zusicherungen« gegeben habe, die Preiserhöhungen zurückzunehmen. Noch mehr ärgert Olusesan aber, dass sich nach Tegas Entlassung der Gewerkschaftsverband zu keiner Zeit hinter den Krankenpfleger vom OOUTH gestellt hat. Genau das fordern nun aber die Aktivistinnen und Aktivisten der Kampagne.
Wie dringend die bedrängten Gewerkschaftsmitglieder im Lehrkrankenhaus von Sagamu auf Unterstützung angewiesen wären, zeigt auch der Fall der Kollegin Aisha Olufunke Ajibola, die in der Leitung der nigerianischen Krankenschwestern- und Hebammengewerkschaft im Klinikum aktiv ist. Sie hatte gegen die Entlassung von Tega öffentlich Stellung bezogen und war daraufhin durch die Chefetage des Krankenhauses gekündigt worden. Auch in diesem Fall weigerten sich die Gewerkschaften, die gekündigte Kollegin zu unterstützen. Die Aufrufe des CDWR zur Solidarität seien »alle verhallt«, wie Olusesan gegenüber dieser Zeitung erklärte. Die Schreiben seien noch nicht einmal beantwortet worden. Auch die Proteste des CDWR bei der zuständigen Provinzregierung seien bislang ohne jede Reaktion geblieben. Olusesan hofft unterdessen, dass sich möglichst viele Menschen den Demonstrationen für die Wiedereinstellung der beiden Kollegen anschließen werden. Geht es nach ihm, sollen beide ohne jede Konsequenz, insbesondere ohne Einkommensverluste, wieder am OOUTH arbeiten dürfen.
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