Mit Chávez und Bolívar
Von Volker Hermsdorf
In Venezuela ist am Dienstag (Ortszeit) die am 6. Dezember gewählte neue Nationalversammlung zur konstituierenden Sitzung ihrer fünfjährigen Legislaturperiode zusammengetreten. Da ein Teil der Opposition die Wahlen boykottiert hatte, gehören gut 90 Prozent der 277 Abgeordneten dem Bündnis des »Großen Patriotischen Pols« (Gran Polo Patriótico) an, zu dem die Vereinte Sozialistische Partei (PSUV) von Präsident Nicolás Maduro und acht weitere Parteien gehören.
Die Volksvertreter waren symbolträchtig mit den – von der bisherigen rechten Parlamentsmehrheit entfernten – Porträts des als Befreier verehrten Nationalhelden Simón Bolívar und des 2013 verstorbenen linken Präsidenten Hugo Chávez in das »Capitolio de Caracas«, den Sitz der Nationalversammlung, eingezogen. In ihrer ersten Abstimmung wählten die Abgeordneten den früheren Kommunikationsminister und PSUV-Politiker Jorge Rodríguez zum Präsidenten der Nationalversammlung und die Rechtsanwältin Iris Varela (PSUV) zu seiner ersten Stellvertreterin.
Obwohl sich wegen der Coronapandemie, der Boykottaufrufe einiger Oppositioneller und der Resignation in Teilen der auch durch die wirtschaftlichen Folgen der US-Sanktionen zermürbten Bevölkerung nur 31 Prozent der Wahlberechtigten an der Abstimmung beteiligt hatten, verfügt Präsident Maduro nach dem Sieg seiner Partei für die nächsten fünf Jahre über eine sichere Parlamentsmehrheit. In einer ersten Stellungnahme kündigte Rodríguez die Bildung einer Kommission an, die Möglichkeiten für einen Dialog ausloten soll, der auch »die politischen Gruppen einschließt, die sich bei der Wahl der Stimme enthalten hatten«. Ziel sei die »Einheit des Landes jenseits aller ideologischen Differenzen«, erklärte der Politiker.
Mit der Konstituierung der neuen Nationalversammlung haben alle bisherigen Abgeordneten ihre Immunität verloren. Dazu gehört auch der frühere Parlamentspräsident Juan Guaidó, der sich 2019 selbst zum Präsidenten des Landes ernannt hatte und zunächst von der US-Regierung Donald Trumps sowie danach von rund 50 der 193 UN-Mitgliedstaaten als solcher anerkannt worden war. Erwartbar teilte US-Außenminister Michael Pompeo im Anschluss mit, dass Washington »diese Gruppe« (das Parlament) als illegitim betrachte und Guaidó weiterhin als »rechtmäßigen Präsidenten« anerkenne.
Auch Guaidó bezeichnet sich und seine kleiner werdende Gruppe von Gefolgsleuten – nachdem eine von ihm organisierte »Volksbefragung«, mit der die Parlamentswahlen für ungültig erklärt werden sollten, gescheitert war, hatten mehrere seiner Anhänger ihren Rückzug erklärt – weiter als »die legitimen Gesetzgeber des Landes«. Am Dienstag inszenierte Guaidó in einer virtuellen Sitzung die eigene »Amtseinführung«. Das war selbst der in Miami erscheinenden rechten Tageszeitung Nuevo Herald suspekt, die über »Zweifel an der Rechtmäßigkeit« der Aktion berichtete und erstmals die »Verfassungsmäßigkeit« von Guaidós »Position als Interimspräsident« in Frage stellte.
Staatschef Maduro bemerkte dazu vor ausländischen Abgeordneten und anderen Gästen der Parlamentssitzung, für den »Zerfall der Opposition« seien weder er noch seine Partei verantwortlich, »sondern Donald Trump und die extremistischen Aktionen von dessen Zögling Juan Guaidó«. Rodríguez mahnte indes, dass trotz der Bereitschaft zum Dialog, »Verbrechen, die von einer Gruppe politischer Akteure während der vergangenen Legislaturperiode gegen die Nation begangen wurden, nicht ungesühnt bleiben« dürften.
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