Grüne schlagen Haken
Von Kristian Stemmler
Im Streit um die Bewaffnung von Bundeswehr-Drohnen zeigt sich die Bundesspitze von Bündnis 90/Die Grünen, die nach Ansicht vieler Beobachter auf eine Koalition mit CDU und CSU nach der Bundestagswahl 2021 hinarbeitet, auf einmal friedensbewegt. Grünen-Chef Robert Habeck zeigte am Freitag gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa) Verständnis für die Entscheidung der SPD-Fraktion im Bundestag, sich vorerst nicht für bewaffnete Drohnen auszusprechen. »Wir sehen die Bewaffnung der ›Heron-TP‹-Drohnen sehr kritisch«, so Habeck. Das Verteidigungsministerium habe die Argumente der Kritiker »nicht wirklich ernst genommen«. Mit den bewaffneten Drohnen, die sich bisher im Einsatz befänden, seien völkerrechtswidrige Hinrichtungen vorgenommen worden, so Habeck. Es drohe »eine weitere Automatisierung des Krieges«.
Gleichzeitig ließ der Grünen-Chef keine Zweifel an seiner rüstungspolitischen Zuverlässigkeit aufkommen. Eine Armee müsse einsatzfähig und gut ausgestattet sein, sagte Habeck. Es spreche aber etwas dagegen, »immer mehr Waffen anzuhäufen«. Bewaffnete Drohnen seien neue Waffensysteme. Habeck erklärte, es sei »dringend notwendig, international neue Initiativen für Regulierung, Abrüstung und Begrenzung zu starten«. Das sei Aufgabe der EU.
Im Bundestag waren am Donnerstag abend zwei Anträge der Grünen und der Linksfraktion, die Bewaffnung von Drohnen grundsätzlich zu unterbinden, mit den Stimmen der SPD abgelehnt worden. CDU, AfD und auch die neue verteidigungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Siemtje Möller, sprachen sich für die Bewaffnung der Drohnen aus.
Tobias Pflüger, verteidigungspolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke, nimmt Habeck und seiner Partei die Gegnerschaft zur Drohnenbewaffnung nicht ganz ab. Gegenüber jW verwies er am Freitag darauf, dass der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen, Tobias Lindner, sich »heftig beschwert hat, dass die Bewaffnung der Drohnen doch entscheidungsreif sei und die SPD das jetzt doch entscheiden soll«. Habeck habe »fast schon entschuldigend« bekundet, dass man gegen die Bewaffnung der Drohnen sei. Offenbar liege den Grünen »schwer im Magen«, dass über die Frage bis zur Bundestagswahl nicht entschieden werde, so Pflüger. Der Streit könne so eine Belastung für die »nächste, voraussichtlich ›schwarz-grüne‹ Bundesregierung« werden.
Der Linke-Politiker geht zudem davon aus, »dass die Kampfdrohnenfans in der SPD nicht aufgeben werden«. Sie würden gemeinsam mit Rüstungsindustrie und Medien weiter für die Bewaffnung kämpfen. »Dass hier ein solches Trommelfeuer beginnt, ist nur ein Anzeichen dafür, was noch alles folgen wird, wenn andere Projekte wie die ›nukleare Teilhabe‹ oder die Streichung von Rüstungsprojekten ernsthaft angegangen werden«, so Pflüger.
Thies Gleiss, Mitglied im Bundesvorstand der Linkspartei und einer der Sprecher der Strömung »Antikapitalistische Linke«, erklärte am Freitag gegenüber jW, die SPD versuche, das Thema Kampfdrohnen in die nächste Legislaturperiode zu verschieben. »Im Wahlkampf kann sie damit noch einmal kräftig die Trommel rühren, dass sie gegen die Todesmaschinen ist, um nach der Wahl wieder umzufallen«, sagte Gleiss. Dass CDU, AfD und diverse Medien von einem Linksruck der SPD redeten, sei reine Phantasie. Die SPD sei »so, wie sie immer war«.
Marius Pletsch vom Beirat der Tübinger Informationsstelle Militarisierung bezeichnete die Richtung, in die sich die Debatte entwickelt, am Freitag gegenüber jW als »bizarr«. So werde etwa davon gesprochen, dass die Entscheidung der SPD das Leben von Soldaten gefährde – »als ob deren Sicherheit mit diesem einen kritischen Waffensystem steht und fällt«. Auch sei falsch, dass die SPD-Fraktion ihre Zustimmung zur Bewaffnung der Drohnen zurückgezogen habe. Bisher hätten ohnehin nur einzelne Fachpolitiker der SPD ihre Zustimmung signalisiert. Wie Pflüger geht auch Pletsch davon aus, dass die Grünen »sicher dankbar gewesen wären«, wenn über die Kampfdrohnen in dieser Legislaturperiode entschieden worden wäre.
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