Bundesweite Solidarität
Von Kristian Stemmler
Bei kühler Witterung haben am Sonnabend rund 2.000 Demonstranten in zwölf Städten an einem bundesweiten Aktionstag der Kampagne »Gemeinschaftlicher Widerstand« für die fünf Angeklagten des bevorstehen Rondenbarg-Prozesses teilgenommen. Die drei Frauen und zwei Männer müssen sich ab Donnerstag vor dem Landgericht Hamburg in einem Pilotverfahren für die Teilnahme an einer Demonstration am ersten Tag des G-20-Gipfels in der Hansestadt, dem 7. Juli 2017, verantworten (siehe jW vom 27.11.2020). Die Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen rund 80 am Rondenbarg festgenommene Demonstranten erhoben.
Kundgebungen gab es unter anderem in Hamburg, Berlin, Kiel, Braunschweig, Heidelberg, Köln, Münster und Freiburg, am Freitag bereits in München und Stuttgart. In Berlin zogen rund 500 Demonstrierende durch Kreuzberg, protestierten mit Sprechchören und Transparenten, auf denen Parolen wie »Polizeistaat stoppen!« zu lesen war. In Braunschweig wollten mehr als 70 Menschen spontan durch die Stadt ziehen, wurden aber von der Polizei gestoppt. Bei der Festnahme eines Demonstranten prügelten Beamte mit dem Schlagstock auf Umstehende ein, wie eine Antifagruppe auf ihrer Website meldete. In Kiel attackierte die Polizei einen spontanen Aufzug von rund 50 Protestierenden mit Pfefferspray, wie die Autonome Antifakoordination Kiel auf ihrer Homepage berichtete.
In Hamburg versammelten sich Hunderte Demonstranten in vier Stadtteilen. Im Schanzenviertel bekundeten rund 150 Menschen ihre Solidarität mit den »fünf vom Rondenbarg«. Wie in anderen Städten wurden Grußworte der Angeklagten und des Italieners Fabio V. verlesen, der in einem im Februar 2018 geplatzten ersten Prozess bereits wegen der Proteste in dem Industriegebiet vor Gericht stand. Die Angeklagten bedankten sich in ihrem Statement für die »Solidarität von verschiedensten Seiten«. Sie habe ihnen »Kraft gegeben« und »greifbar gemacht, dass wir tatsächlich alle gemeint sind«. Bei den Hamburger Demos wurde auf Leinwänden ein Film uraufgeführt, den »außerparlamentarische Beobachter« des Prozesses produziert haben. In dem Film, der auch im Internet veröffentlicht wurde, wird gezeigt, wie die Polizei den Aufzug am Rondenbarg brutal auflöst. Ein Aktivist beschreibt das Vorgehen als »Prügelorgie«.
Hamburgs Gerichtssprecher Kai Wantzen bestätigte am Freitag gegenüber jW, dass der am Donnerstag beginnende Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. Die Angeklagten seien zum »Tatzeitpunkt« 16 und 17 Jahre alt gewesen, bei einem Jugendstrafverfahren sei dies zwingend. Claus Cortnumme, Leiter des Staatsschutzes im Landeskriminalamt Hamburg, erklärte unterdessen in der Welt am Sonntag, aus Anlass des Prozesses seien »Anschläge und Sabotageaktionen nicht ausgeschlossen«. Er rechne mit »Solidaritätsstraftaten«. Besonders im Blick habe die Polizei die bundesweite Solidemo am kommenden Sonnabend in Hamburg.
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