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Aus: Ausgabe vom 16.10.2020, Seite 3 / Schwerpunkt

Hintergrund: Chancen und Risiken der Heimarbeit

Beschäftigte im Homeoffice, die während der Coronakrise bisher ihr volles Gehalt bezogen haben und zu Hause arbeiten dürfen, sind Kurzarbeitern gegenüber privilegiert. Mit Ausnahme von Frauen, die dort nebenbei Kinder zu betreuen beziehungsweise deren Homeschooling zu managen hatten, empfindet eine deutliche Mehrheit das Arbeiten zu Hause als vorteilhaft - das zeigten seit Beginn der Krise mehrere Studien. In einer im Mai veröffentlichten Umfrage des Fraunhofer-Instituts äußerten sich 79 Prozent der Frauen und 85 Prozent der Männer zufrieden mit der Arbeit im Homeoffice. Allerdings empfanden 34 Prozent der Frauen und 20 Prozent der Männer Produktivitätseinbußen. Von Bedeutung war dabei das familiäre Umfeld – und ob sich Kinder unter zwölf Jahren im Haushalt befanden. Ohne zusätzliche Betreuungsaufgaben scheint die Produktivität aber am heimischen Arbeitsplatz nicht zu leiden.

Eine im Juli vorgestellte Studie der Krankenkasse DAK ergab, dass insgesamt 59 Prozent der Beschäftigten, die regelmäßig im Homeoffice arbeiteten, sich dort tendenziell sogar produktiver fühlten. 68 Prozent der neu hinzugekommenen Heimarbeiterinnen und Heimarbeiter schätzten den Zeitgewinn durch Wegfall des Arbeitsweges. 66 Prozent konnten durch die neue Regelung nach eigenen Angaben Beruf und Familie besser miteinander vereinbaren. Obwohl die Mehrheit der Befragten nicht nur Vorteile sah, wünschten sich gut drei Viertel dieser Befragten, auch nach der Krise zumindest teilweise in den eigenen vier Wänden arbeiten zu können.

Als Nachteile nannten 48 Prozent erschwerte Absprachen mit Vorgesetzten oder Kollegen, 75 Prozent vermissten den direkten Kontakt mit letzteren – 47 Prozent sahen keine klare Trennung zwischen Beruf und Privatleben. Aus den genannten Gründen warnten bereits mehrfach Gewerkschaften davor, dass Unternehmen aus dem für viele Beschäftigte wünschenswerten Recht eine Pflicht machen könnten.

Der Anteil der Beschäftigten, die regelmäßig im Homeoffice arbeiten, war laut der DAK-Erhebung in den ersten Monaten der Coronakrise von 18 auf 39 Prozent gestiegen.

Nach Plänen von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) soll es vorerst nur einen Rechtsanspruch auf 24 Tage Homeoffice im Jahr geben – jedenfalls »dort, wo es möglich ist«. Für die Zeit der Pandemie hat das Bundesarbeitsministerium im »Infektionsschutzstandard mit notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten vor dem Coronavirus« nur festgelegt: »Abläufe werden so organisiert, dass die Beschäftigten möglichst wenig direkten Kontakt zueinander haben.« (jW)

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