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Aus: Ausgabe vom 19.08.2017, Seite 16 / Aktion
Sommer des Widerstands

Zwischen Ethik und Lifestyle

Ein Krimi über »sämtliche Ernährungslügen der letzten Jahrzehnte«
Von Georg Hoppe
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Hinni Rappküfer war Fernsehkoch und Spross einer »traditionsreichen Vegetarierfamilie«. Er hat allerdings die Seiten gewechselt und favorisierte zuletzt fleischreiche Kost. Den Veganismus bezeichnete er als »Kulmination sämtlicher Ernährungslügen der letzten Jahrzehnte«. Seine letzten bekannten Worte waren: »Bin entführt, Hinni Rapp«. Sie waren in ein Salatblatt geritzt, das als Flaschenpost an der Staustufe Poppenweiler aus dem Wasser gefischt worden war. Kurze Zeit später müssen Polizei, Staatsanwaltschaft und die Ermittlerin Lisa Nerz die unangenehme Erkenntnis akzeptieren, dass die Spanferkelstelze in Stuttgarter Biosupermärkten nicht das enthält, was auf dem Etikett steht. Sie müsste Hinni-Rappküfer-Stelze heißen …

Lisa Nerz ist Journalistin und Ermittlerin in den Kriminalromanen von Christine Lehmann. In »Allesfresser« recherchiert sie zunächst im Internet. Veganismus im Spannungsfeld zwischen Ethik und Lifestyle, wissenschaftliche Fakten, zu denen jeweils eine wissenschaftlich begründete Widerlegung existiert – Lisa droht den Überblick zu verlieren. Ein Verdacht ergibt sich bei einer Bloggerin, die detailliert ein Menschenschlachthaus beschreibt. Um Genaueres zu erfahren, muss Lisa undercover in der politischen Veganerszene ermitteln.

Es geht viel ums Essen in Lehmanns Buch, und sie tut alles, um dem Leser in die Suppe zu spucken. Widersprüche drücken sich in den Beschreibungen aus: Die duftende Entenbrust schwimmt in »blutroter Soße«. Leider bleibt das Mensch-Tier-Verhältnis ungeklärt. Die literarische Zerlegung von Menschen und Rehkitzen birgt ebensowenig eine Lösung wie moralische oder idealistische Ansätze. Mindestens aber sensibilisiert das Buch für das Thema.

Schön ist die Figur der Lisa, die ganz der Philosophie der Ariadne-Reihe entspricht. Sie ist streitlustig, derb und geht mit dem Kopf durch die Wand, sie ist »das Chaos«. Doch sie weist die Schuld selbstbewusst von sich. Alle haben sich in ihr getäuscht. »Ich hätte es auch gern flüssig und ruhig gehabt. Was konnte ich dafür, dass der ganze Konventionskram nie so recht auf mich passte?«

Christine Lehmann: Allesfresser. Argument-Verlag mit Ariadne, Hamburg 2016, 256 Seiten, 12 Euro

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren. Denn nicht allen lernen die junge Welt kennen, da durch die Beobachtung die Werbung eingeschränkt wird.

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