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Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 08.12.2012, Seite 16 / Aktion

Ein Versuch, der scheitern wird

Ökonomische Situation
Von Dietmar Koschmieder
Und es gibt sie doch noch: Titelseite der jW vom 6. April 1995 (
Und es gibt sie doch noch: Titelseite der jW vom 6. April 1995 (Ausriß)
»Heute erscheint die junge Welt zum letzten Mal«, behauptete der damalige Chefredakteur Oliver Tolmein auf der Titelseite dieser Zeitung vom 6. April 1995. Die junge Welt wurde vom damaligen Eigentümer für tot erklärt. Beide haben sich geirrt: Bereits am 13. April lag die erste Sonderausgabe gedruckt auf dem Tisch. Seit dem 18. April 1995 belieferte der neugegründete Verlag 8. Mai GmbH die Leserinnen und Leser wieder regulär werktäglich und mit 16 Seiten. Damals war aber noch völlig unklar, wie lange das gutgehen konnte: Mit so wenig Leuten, fast ohne Verlag und ohne Investitionsmittel täglich eine Zeitung zu machen, die sich auch langfristig auf dem harten Markt behauptet – das haben nur wenige für möglich gehalten.

Heute, mehr als 17 Jahre später, gibt es diese Zeitung noch. Die Bank, die uns damals Kredite verweigerte, ist verschwunden, unser Verlag hat ihre Räume übernommen. Die Fußböden aus brasilianischem Gneis irritieren schon mal antikommunistische Bürgerinnen wie Vera Lengsfeld. Aber das Geld, das nötig war und ist, eine Tageszeitung herauszugeben, stammt nicht aus Verlags-, Parteien- oder Konzernvermögen noch aus sonstigen trüben Quellen. Es kommt von unseren Abonnentinnen und Abonnenten und den Mitgliedern der Genossenschaft. Darunter ist kein großer Mäzen. Das zwingt uns, mit wenig klarzukommen: für die Verlagsarbeit, aber auch bei der Bezahlung der Mitarbeitenden. Wir haben es unter diesen Bedingungen geschafft, die verkaufte Auflage in den letzten Jahren positiv zu entwickeln. Aber sie ist noch viel zu niedrig, um in Ruhe einfach nur Zeitung machen zu können.

Damit eine Zeitung überleben kann, braucht es mehr als nur ausreichend Geld. Die Zeitung muß notwendig sein. Eine Zeitung, die sich für Frieden einsetzt und die diversen Spielarten der Kriegstreiberei entlarvt, ist notwendig. Auch weil die meisten anderen Zeitungen den Umbau der Bundeswehr von einer Verteidigungsarmee in eine Angriffsarmee wohlwollend begleiten – bis hin zum Redaktionsbesuch der Uniformierten. Eine Zeitung, die konsequent aus Sicht und Interesse der Werktätigen mit und ohne Arbeit im In- und Ausland berichtet und analysiert, wird gebraucht. Denn solche, die Lohnverfall und Arbeitslosigkeit als Belege für Erfolg und Standortverbesserung verkaufen, gibt es genug. Wie auch Zeitungen, die Vorfindliches als gottgegeben, zumindest aber als unveränderbar darstellen und all jene, die sich für Veränderung einsetzen, als Verbrecher abstempeln. Für sie ist Fidel Castro der Diktator aus Havanna, Wladimir I. Lenin der Massenschlächter aus Moskau und Rosa Luxemburg die Terroristin aus Berlin.


Nachdem wir 1995 die Herausgabe der jungen Welt wenigstens vorläufig gesichert und im Herbst des gleichen Jahres unsere Genossenschaft gegründet hatten, gingen wir daran, die erste Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz vorzubereiten. Sie findet seit 1996 immer am Vortag der großen Liebknecht-Luxemburg-Ehrung statt. Kundgebung und Demonstration sind die größte regelmäßige antikapitalistische Manifestation im deutschsprachigen Raum. Zigtausende ehren bis heute an jedem zweiten Sonntag im Januar die Mitbegründer der Kommunistischen Partei Deutschlands und erinnern an deren Ermordung durch deutsche Militärs im Zusammenwirken mit der damaligen sozialdemokratischen Führung. Jahrelang haben sich Me­dien und politische Gruppen von ganz rechts bis ganz links lustig gemacht über diese linke Tradition. Mit dem Ende der DDR glaubten sie auch diese Form des Gedenkens und des Antikapitalismus für abgeschafft. Schon die ersten Jahre danach zeigten, daß sie sich irrten. Daraufhin lästerten sie, daß diese Ewiggestrigen schon bald alle weggestorben seien. Zum ungebrochenen stillen Gedenken gesellte sich aber eine große Demonstration unterschiedlicher politischer Gruppen, und viele hielten das für eine Zumutung in der neuen Reichshauptstadt. Mit unserer Konferenz wollen wir dazu beitragen, daß wenigstens an einem Wochenende in Berlin für die Notwendigkeit von klassenkämpferischen und revolutionären Positionen Tausende demonstrieren. Der aktuelle Versuch, diese linke Einheit zu spalten, kann nicht überraschen. Aber er ist Ausdruck unserer wachsenden Stärke: Das, was nicht abgeschafft werden kann, was aber auch nicht mehr zu vereinnahmen ist, soll nun gespalten und so geschwächt werden. Ein Versuch, der scheitern wird. Und zur Klarheit beiträgt.

Heute liegt der Ausgabe der jungen Welt das Programm für die XVIII. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz bei. Bitte notieren Sie einen weiteren Programmpunkt: Am Samstag, den 12. Januar 2013, werden wir kurz vor der Podiumsdiskussion, die voraussichtlich um 18 Uhr beginnt, über den Stand unserer Kampagne »Dein Abo fehlt« berichten. Mit jedem Abo wächst nicht nur die ökonomische Sicherheit für Zeitung und Konferenz, sondern wird auch die antikapitalistische Linke im Land gestärkt.

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Die Grenzen in Europa wurden bereits 1999 durch militärische Gewalt verschoben. Heute wie damals berichtet die Tageszeitung junge Welt über Aufrüstung und mediales Kriegsgetrommel. Kriegstüchtigkeit wird zur neuen Normalität erklärt. Nicht mit uns!

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