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Aus: Ausgabe vom 12.05.2010, Seite 3 / Schwerpunkt

Hintergrund: Leuchtturm für Menschenrechte

Das kleine Hotel Al-Fanar liegt im Schatten des Palästina-Hotels in Bagdad-Risafa, am Ostufer des Tigris. Vor dem Krieg waren die wenigen Nichtregierungsorganisationen hier untergebracht, die einen Weg gefunden hatten, mit Zustimmung der Regierung von Saddam Hussein im Irak tätig zu sein. Die französische Kinderrechtsorganisation Enfants du Monde zum Beispiel arbeitete in dem »Leuchtturm für Menschenrechte«, wie einer ihrer Mitarbeiter 2001 das Hotel einmal nannte. Al-Fanar ist arabisch und heißt »Der Leuchtturm«. Die Organisation versuchte, die Folgen des unmenschlichen UN-Embargos abzufedern, mit dem die Iraker für die völkerrechtswidrige Invasion Kuwaits seit 1990 bestraft wurden.

Im Herbst 2002, als sich die Entschlossenheit der US-Regierung unter George W. Bush abzeichnete, einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Irak zu starten, kamen viele Kriegsgegner in den »Leuchtturm für Menschenrechte« in Bagdad. Im Januar 2003 wohnte auch eine Delegation aus Deutschland im Al-Fanar, mit dabei Konstantin Wecker, der ein für viele Iraker damals unvergessenes Konzert gegen den Krieg gab. In seinem Reisetagebuch beschrieb Wecker den »morbiden und bröckelnden Charme des Al-Fanar-Hotels«, dessen Einrichtung ebenso unter den Sanktionen zu leiden hatte, wie die Iraker. Alle Reportagen und Artikel von jW-Autorin Karin Leukefeld wurden im Al-Fanar geschrieben. Seit 2001 berichtet sie aus dem Irak. Nach der US-Invasion wurde der »Leuchtturm für Menschenrechte« von amerikanischen Sicherheitsfirmen in Beschlag genommen, die im Frühstücksraum und der Lobby mit ihren Waffen herumfuchtelten – wie der Irak war auch das Al-Fanar besetzt.

Als am 25. Januar 2010 schwere Anschläge auf Hotels in Bagdad 36 Menschen töteten, wurde über die Zerstörung der Hotels Palästina, Sheraton, Hamra und Babylon berichtet. Das Al-Fanar war zu klein, um Schlagzeilen zu machen, doch die Wucht der Explosionen traf es hart. »Wir hatten gerade renoviert und wollten wieder eröffnen«, berichtet einer der Mitarbeiter. Nun bewacht er in der Lobby die Trümmer und weiß nicht, wie es weitergeht. Der Bericht von Konstantin Wecker war übrigens genau sieben Jahre vor dem Anschlag in der jW erschienen, am 25. Januar 2003.

(jW)

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