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Aus: Ausgabe vom 10.03.2010, Seite 13 / Feuilleton

Milch, Schlagloch und Sesselpapst als regionale Produkte

Schön ruhig – das beste an der Provinz ist, daß man dort nicht leben muß. Oder etwa doch? An manchem Tresen herrscht die Lehrmeinung vor, daß überall Provinz sei, vor allem da, wo man gerade nicht blöd in der Gegend rumsteht. Andererseits bleibt einem da auch viel erspart – zum Beispiel das Kaufen von Schlaglöchern auf einer Straße in Niederzimmern/Thüringen. Ein Schlagloch in dem 1000-Einwohner-Ort kostet 50 Euro, 52 Käufer langten schon zu. Mit dem eingenommenen Geld sollen irgendwann die Schlaglöcher gefüllt werden, und als Dank bekommt jeder Käufer eine Plakette neben dem von ihm erworbenen, dann mutmaßlich ehemaligen Schlagloch, vielleicht abgefilmt von Stern TV.

In Fischen im Allgäu und an der Iller geht es dagegen um die Milch. Man begreift sich als »NaturDorf« im »kulinarischen Allgäu«, einen Geisteszustand, den man auch gern »lukullisch« erhalten möchte. Und deshalb wirbt die Gemeinde nicht nur mit Phrasen aus dem Winterschlußverkauf, sondern auch mit milchigen Aussichten. Dort gebe es eine »Milchstraße«, »Milchlikör« und als Höhepunkt sogar ein »Milchwell«-Hotel. Und der Initiative »Gentechnikfreies Oberallgäu« ist man auch noch beigetreten.

Da fehlt nur noch ein Schnappschuß mit dem Papst. Aber der hat erst mal keine Zeit, denn er plant, sich porträtieren zu lassen. Der Leipziger Maler Michael Triegel muß als Atheist ran, und hierfür wünscht er den Papst nach erstmaliger Begegnung noch ein paar mal zu treffen. Denn er halte es für unmöglich, ein Porträt nur nach einem Foto zu malen, teilte er mit.

Über das Porträt habe er bisher nur vage Vorstellungen. Es soll 1,20 Meter hoch werden und in »traditioneller Technik« entstehen. »Ich kann mir den Papst sehr gut im Sessel sitzend vorstellen«, sagte Triegel. Wichtig sei ihm dabei, »die wachen Augen« des Papstes erkennbar werden zu lassen. Bevor man im nächsten mit Milch gefüllten Schlagloch versinkt. (jW)

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