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Aus: Ausgabe vom 20.06.2009, Seite 3 / Schwerpunkt

Die FAZ rechnet mit Bologna ab

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Freitagausgabe) beschreibt Heike Schmoll »Idee und Wirklichkeit« des sogenannten Bologna-Prozesses: »Als die europäischen Bildungsminister sich vor zehn Jahren an einer der alten europäischen Universitäten, in Bologna, über einen europäischen Hochschulraum und ein gestuftes Studiensystem verständigten, konnten sie nicht ahnen, daß sie damit die Idee der europäischen Universität begraben würden. (…) Die Studienstrukturreform nach Bologna ist eine schlechte Kopie angelsächsischer Systeme. Zwei ihrer entscheidenden Ziele sind nicht erreicht worden: eine größere Mobilität der Studenten sowie die internationale Anerkennungsfähigkeit der Abschlüsse. Statt dessen blüht der Provinzialismus. Schon Studienanfänger werden darauf getrimmt, Punkte zählend von Pflichtveranstaltung zu Pflichtveranstaltung zu eilen. Für Studienortwechsel oder Auslandsaufenthalte bleibt so wenig Zeit und auch zum Nachdenken. Für Studenten heißt die neue Bologna-Wirklichkeit: Zielstrebigkeit ohne Umwege und Sackgassen. Neugier, Erkenntnisinteresse, selbständiges Denken – also alles, was höhere Bildung ausmacht – bleiben auf der Strecke. (…) Wer nach dem Studium durch die Segnungen der Exzellenzinitiative in den Genuß einer Nachwuchsförderung gelangt, soll lehren, forschen und trotz eigener Unerfahrenheit eine Doktorandengruppe leiten. Nicht selten hangeln sich junge Wissenschaftler inzwischen von Drittmittelprojekt zu Drittmittelprojekt und kommen darüber in die Jahre. In einem System, das die Anzahl der eingeworbenen Drittmittel zu einem Qualitätskriterium erhebt, wird derjenige zum Versager, der ihrer nicht bedarf. (…) Es liegt in der Logik von Bologna, daß auch für die Lehrleistung eigene Maßstäbe entwickelt wurden. Gemessen werden Weiterbildung, Forschung und Zukunftsentwicklung, Prüfungen und Studienabschlüsse, Studentenzahlen, die Einhaltung von Regelstudienzeiten, drittmittelfinanzierte Forschungsprojekte, der Frauenanteil unter den Hochschullehrern, Auslandsaufenthalte und Studienabschlüsse von Frauen. Diese Kriterien verraten ein wissenschaftliches Proporzdenken. (…) Heute (…) gilt: ›Ich bin evaluiert, also bin ich.‹«

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