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Aus: Ausgabe vom 31.05.2008, Seite 16 / Aktion

»Unseriöser Gefälligkeitsjournalismus«

junge Welt beschäftigt auch jene, die mit ihr eigentlich gar nichts zu tun haben wollen
Zumindest für das Wetter können wir nichts
Zumindest für das Wetter können wir nichts
Keiner liebt die kleine, linke junge Welt, könnte man meinen: In der aktuellen Ausgabe der Monatszeitschrift konkret (die sich ansonsten bemüht, uns – frei nach Valentin – nicht einmal zu ignorieren) werden wir der Partei Die Linke zugeschlagen und gemeinsam mit Neues Deutschland und Freitag als »parteinah« eingestuft. In der ebenfalls in dieser Woche erschienenen parteinahen neuen Zeitschrift Prager Frühling (presserechtlich verantwortlich: Katja Kipping) wird diese Zeitung als sowas von »out« eingestuft, wegen »unseriösem Gefälligkeitsjournalismus«. Gar nicht gefällig ist die junge Welt offensichtlich den sieben SPD-Bundestagsabgeordneten, die diese Woche beim Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) gegen die Aufnahme der rechtsgerichteten Wochenzeitung Junge Freiheit in die elektronische Pressedokumentation des Bundestags protestierten. »Vergleichbare Publikationen aus dem Bereich des Linksradikalismus – wie die Zeitung junge Welt – seien zu Recht nicht Teil der elektronischen Pressedokumentation«, begründeten laut der Presseagentur ddp die Parlamentarier ihren Protest. Da sind Firmen, Behörden und Verbände allerdings weniger beschränkt und an anderer Sichtweise durchaus interessiert, auch wenn sie sie nicht teilen: Die junge Welt erschien im März beispielsweise in 83 von der PMG-Presse-Monitor gelisteten elektronischen Pressespiegeln, von ZDF über Bertelsmann AG und Coca Cola GmbH bis Universität Leipzig, von Bündnis90/Die Grünen bis zum Bundesfamilienministerium. Nur die Partei Die Linke hat sich mittlerweile offensichtlich entschlossen, die junge Welt weitgehend aus ihren Pressespiegeln herauszunehmen, obwohl sie bis Ende vergangenes Jahr dieses Informationsmittel stärker als alle anderen genutzt hat (wenn man die Geheimdienste mal unberücksichtigt läßt). Weil wir zu parteinah oder zu unseriös, zu gefällig oder zu linksradikal sind?

Aber daß uns keiner liebt, stimmt natürlich nicht. Zumindest werden wir in den Zuschriften an Verlag und Redaktion nicht nur beschimpft. Und dann ist da noch der Umstand, daß wir die einzige überregionale Tageszeitung sind, die nun schon mehrere Jahre in Folge beim Kioskverkauf und bei den Abonnements Zuwächse verbuchen kann. Das allerdings ist kein verläßlicher Liebesbeweis, denn mittlerweile lesen uns auch viele Menschen aus nackter Not: »Ich lese regelmäßig die Online-Ausgabe Ihrer Zeitung und bin froh, daß es Gegenstimmen zu dem ›Nachrichten-Einheitsbrei‹ der hiesigen Medienlandschaft gibt«, schrieb uns beispielsweise am Freitag ein Leser. Zwar gefällt kaum einem alles in der jungen Welt, aber wer sie einmal eine Zeitlang gelesen hat, verzichtet nur noch ungern auf sie. So haben viele Aktivisten und passive Beobachter der G-8-Gipfel-Proteste vor etwa einem Jahr in Rostock und Heiligendamm die junge Welt über ihre Berichterstattung kennen- und schätzengelernt. Allerdings liegt das auch an der Schwäche anderer Medien. Das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung hat diese Woche ein medienkritisches Buch über diese Vorgänge mit dem Titel »Nur Clowns und Chaoten?« veröffentlicht, worin man nachvollziehen kann, warum das so war: »In der Tendenz offenbaren sich auf seiten der etablierten Medien zwei grundlegende Schwächen. Zum ersten neigen sie dazu, den offiziellen Quellen a priori mehr Glauben zu schenken als anderen Quellen. Nicht nur wurden tendenziöse Polizeiberichte ungeprüft übernommen. In einigen Fällen bevorzugten Redaktionen sogar diese Berichte, obgleich diesen von den eigenen Reportern vor Ort widersprochen wurde. Der Anpassungsdruck gegenüber anderen Medien, auch der Eifer, möglichst schnell mit einer spektakulären Nachricht aufzuwarten, ist zuweilen größer als die Sorgfaltspflicht, Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Zum zweiten mangelt es auch nach offenkundigen journalistischen Fehlleistungen an der Bereitschaft zu einer selbstkritischen Reflexion«, hieß es in einem Kurztext zur Pressevorstellung des Buches am Mittwoch.

Zu selbstkritischen Reflexionen und zum Schmieden neuer Pläne verkriechen sich die Mitarbeitenden von Verlag und Redaktion an diesem Wochenende in ein ehemaliges Kinderferienlager im Märkischen. Deshalb gibt es am Montag keine junge Welt. Aber das ist auch in Ihrem Interesse: Schließlich beraten wir darüber, wie die junge Welt noch besser werden kann.

Verlag, Redaktion, Genossenschaft

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Die Grenzen in Europa wurden bereits 1999 durch militärische Gewalt verschoben. Heute wie damals berichtet die Tageszeitung junge Welt über Aufrüstung und mediales Kriegsgetrommel. Kriegstüchtigkeit wird zur neuen Normalität erklärt. Nicht mit uns!

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Leserbriefe zu diesem Artikel:

  • Jeanette Berger: Kontinuität Ich bin nach Bummi, ABC-Zeitung und Trommel mit der jW groß geworden und versuche auch heute noch, jeden Tag Eure Online-Ausgabe zu lesen ... Bleibt bitte so, wie Ihr seid. Auch wenn ich nach wie vo...