Leserbrief zum Artikel Parteitag der AfD: Lautstarker Protest in Braunschweig
vom 02.12.2019:
Marsch auf Berlin
Wenn Alexander Gauland fordert, die AfD regierungsfähig zu machen, ist dies durchaus als »Marsch auf Berlin« zu verstehen. Alle diejenigen, die diese Politik nun künftig wählen, auch Bürger aus den »neuen Bundesländern«, müssen sich über die Folgen im klaren sein. Die Generation der jetzigen Schulabgänger in den neuen Bundesländern hat in der Schule gelernt, dass eine parallel gelagerte Entwicklung, wie sie bei der AfD vorherrscht, in Deutschland schon einmal in einer Katastrophe endete. Personelle, aber vor allem argumentative Politik dieser Art haben wir in der deutschen Geschichte schon einmal erlebt. Wenn hier gemäßigte Kräfte in den Vorstand gewählt wurden, ist dies lediglich als demokratisierende Fassade zu verstehen, und man sollte hinter die Kulissen sehen; dort wird man feststellen, dass alte national-reaktionäre Kräfte wie Weidel und Höcke weiter die Fäden ziehen. Ebenso hat man Bilder des Kyffhäuser-Treffens, wo Björn Höcke unter grandiosem Fahnenschmuck einmarschierte, irgendwann in Deutschland schon einmal erlebt. Sollte diese Partei künftig erstarken und sich weiter in Regierungen bis hin zur Bundesregierung einbetten, müssen sich deren Wähler über die Konsequenzen bewusst sein. Verbale Androhungen sind hinlänglich gemacht worden, und keiner und niemand kann dann später sagen, er habe davon nichts gewusst; Rassismus, Ausländerhass und Ächtung des Parlamentarismus sind nur einige Forderungen der AfD. Man darf auch nicht vergessen, dass es vor allem die AfD ist, welche, genau wie Trump, den menschengemachten Klimawandel leugnet. Das lässt erahnen, welche Umweltpolitik die AfD praktizieren würde. Die Saubermänner innerhalb der Partei sowie deren Wähler sind auch nicht Willens, einen Selbstreinigungsprozess zu exerzieren, so werden Prozesse gegen Vorstandsmitglieder in verschiedenen Ebenen wegen Volksverhetzung und Steuerhinterziehung auf diesen Parteitagen einfach unter den Teppich gekehrt. Wäre diese Partei so moralisch intensiviert, wie sie vorgibt zu sein, hätte man den betroffenen Abgeordneten zumindest eine Stellungnahme abverlangt, und auch Herrn Gauland wäre einmal in die Schranken verwiesen worden.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 03.12.2019.