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Leserbrief zum Artikel Sahra Wagenknecht: Eine Lanze für den Markt vom 18.05.2019:

Dem Feudalismus entgegensteuern

Sahra Wagenknecht hat eine Krise. Es soll die der Sozialdemokratie sein. Der von heute? Der SPD von 2019, von 1945 oder 1903? Oder die der Linken-Sozis? Wagenknecht steht links davon, wird ihr zugestanden, aber nicht weit genug! Wäre sie (noch) »konsequent links«, hätte sie keine Krise. Denn die ·»konsequente« Linke hat ja keine Krise! Sonst müssten wir uns ja mit unserer beschäftigen. Spaß beiseite! Nico Popp mag in einigen theoretischen Belangen durchaus interessante Fragen gestellt haben, die Antworten überzeugen nicht: Nicht im »politischen Szenario Wagenknechts« verharrt die Masse der Menschen weithin passiv und schaut, was da kommt, sondern in der Realität! Und man kann Wagenknecht eines nun wirklich nicht vorwerfen: dass sie in den letzten 25 Jahren nicht immer wieder versucht hätte, mit hohem persönlichen Einsatz über die Ursachen von Kriegsgefahr, Sozialabbau usw. aufzuklären, zu aktivieren, Bewegung in die starren Verhältnisse dieser Republik zu bringen. Auch im Gegensatz zu Leuten, die Revolution nur mit drei »R« sprechen können, aber sonst in den sozialen Bewegungen »außen vor« sind.
Wenn ich es richtig sehe, ist Wagenknechts »Linie« von der Erkenntnis geprägt, dass der Hauptgegner jeglichen sozialen Fortschritts, jeglicher demokratischen Umgestaltung der Gesellschaft (ich rede nicht von sozialistischer Revolution, sondern von notwendigen Abwehrkämpfen gegen die Angriffe auf die Reste der bürgerlichen Demokratie, die die Linke weltweit seit Jahren allesamt verloren hat!) durch die internationale Finanzoligarchie verkörpert wird, die ein Machtfülle besitzt, gegen die Thurn und Taxis ein Zwerg war. In diesem notwendigen Kampf (einer ums Überleben der Menschheit) sind alle zu vereinen, die nicht zu diesen 0,001 Prozent gehören. »Wir brauchen, was die Vertreter der neofeudalen Politik sich so gern auf die Fahne schreiben, aber in Wirklichkeit zerstören: Freiheit, Eigeninitiative, Wettbewerb, leistungsgerechte Bezahlung, Schutz des selbst erarbeiteten Eigentums. Wer all das will und es ernst meint, muss eine Situation beenden und nicht befördern, in der die entscheidenden wirtschaftlichen Ressourcen und Reichtümer einer schmalen Oberschicht gehören, die automatisch auch von jedem Zugewinn profitiert.« Was ist daran als Orientierung für die nächsten Schritte falsch? Die Durchsetzung einer tatsächlich »sozialen Marktwirtschaft« wäre heute ein Riesenschritt nach vorn, für Deutschland, die EU und die Welt! Weil zugleich eine Einschränkung der Macht der Finanzoligarchie. Unter der Losung »Klassenkampf und materialistische Kritiken von Markt, Staat und Geld« (die übrigens mittlerweile die bürgerliche Wirtschaftswissenschaft notgedrungen ebenfalls liefert – manche gar nicht so schlecht), holt man keinen Hund hinterm Ofen vor, sondern spaltet, wo wir Bündnis benötigen. Aber heldenhaft untergehen kann man damit gewiss. Dieser politische Inhalt hat auch einen Namen: klassischer linker Radikalismus! Revolutionär in der Phrase, (selbst-)mörderisch gegen die revolutionäre Bewegung in der Praxis!
Die »Migration« wäre ein eigenes Kapitel, nur soviel: Im Augenblick stärkt die Fluchtbewegung, über deren Ursachen es unter Linken keine großen Missverständnisse geben sollte (und die Sahra Wagenknecht oft und unmissverständlich gegeißelt hat), die Macht der Verursacher, der 0,001 Prozent! Und mit dem propagandistischem Dauerfeuer und mit den (nicht unbegründeten!) Ängsten vor den Auswirkungen der modernen »Völkerwanderung« werden mühsam erkämpfte demokratische und soziale Rechte bei uns und weltweit geschliffen. Wollen wir von unseren »Klassen« politisch ernst genommen werden, bedarf es deutlich mehr als des Rufs »offene Grenzen für alle«!
Peter Tiedke, Golzow
Veröffentlicht in der jungen Welt am 03.06.2019.
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