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Leserbrief zum Artikel Sahra Wagenknecht: Eine Lanze für den Markt vom 18.05.2019:

Bezwingende Analyse

Als »Jungstalinistin«, Ikone der Ziegenhalsfahrer und jüngstes Gesicht im Beinhaus des dahingeschiedenen Parteikommunismus musste Wagenknecht auffallen wie ein Sahnehäubchen auf einer Presskohle. Ob sie tatsächlich eine war, ist eher zu bezweifeln, reichen doch ihre Hymnen auf Stalin dafür nicht aus. Näher betrachtet ergibt sich vielmehr der Eindruck einer pfiffigen Idee, schlagartig bekannt zu werden. Das gelang. Zugleich ließ sie sich als Marxistin feiern, wodurch sie sich zur Freude der Herrschenden für die tiefe Verwandtschaft von Stalinismus und Marxismus verbürgte, was die gängige Gleichsetzungsthese unterstützte. Mit ihrem Buch »Antisozialistische Strategien im Zeitalter der Systemauseinandersetzung« rundete sie diese Position ab und legte damit den Grundstein für die Dauerallianz mit den staatstragenden Medien. In diesem Buch behauptet sie allen Ernstes, der Sozialismus sei durch inneren Verrat und Opportunismus und äußere strategische Erdrückung erledigt worden. Marx zog sie auf der Suche nach den Ursachen nicht zu Rate. Hätte er (der Sozialismus als Systemqualität und damit als historische ökonomische Formation) tatsächlich existiert, wäre er die erste Gesellschaftsordnung in der Geschichte, die auf diese Weise aus ihr verschwindet. Als Marxistin fiel sie damit außer Betracht. Nimmt man sie als Stalinistin, stellt sich die Frage, ob sie zugleich Marxistin sein konnte. Das ist bis heute nicht geklärt. Es stellt sich vor allem die Frage, ob sie von Anfang an Sozialdemokratin gewesen oder erst nach gründlicher Auseinandersetzung sowohl mit Stalinismus als auch mit Marxismus geworden ist. Geistig, praktisch und kontinuierlich hat sie sich erst als Sozialdemokratin entfaltet. Wie sie dazu gekommen, von welchen Erkenntnissen sie getragen worden ist, bleibt bisher ihr Geheimnis. Vielleicht aber hat Wagenknecht dies alles nie gekümmert. Vielleicht ist sie von Anfang an von dem Glaube an die eigene Herrlichkeit beseelt, in der sich alles Ungereimte und Widersprüchliche auflöst.
Abgesehen davon, dass Popp die Rolle der Kommunistischen Plattform als Flügelstabilisator nicht deutlich genug herausarbeitet, das für die Außenwelt aufgeführte Theater »linker Opposition in der PDS« ein wenig zu ernst nimmt, ist seine Analyse exzellent, ihr Ergebnis bezwingend folgerichtig. Die Krise der Sozialdemokratie ist allerdings eine letale, so dass Wagenknecht Gefahr läuft, als Vertreterin linker Politik nicht mehr auf die Beine zu kommen. Ihr objektives Verdienst besteht darin, dass sie ein prominentes Beispiel dafür liefert, worauf sich ein sozialistischer Aufbruch nie wieder einlassen sollte. Er sollte auch nie wieder Parteimodelle bevorzugen, die solche Erscheinungen hervorbringen oder ermöglichen.
Willi R. Gettél
Veröffentlicht in der jungen Welt am 03.06.2019.
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