Leserbrief zum Artikel Sozialleistungen: Trügerische Utopie
vom 09.06.2018:
BGE und alternative Gesellschaftsentwürfe Hand in Hand
Ich befürworte das humanistisch, emanzipatorisch motivierte BGE sehr, kann aber die im Artikel formulierten Bedenken zum Teil nachvollziehen. Vielleicht erscheint das BGE zunächst wie eine Rettung oder Zähmung des Kapitalismus. Da sollten wir aber natürlich nicht stehenbleiben! Für mich ist es ein wichtiger Baustein auf dem Weg in eine neue Gesellschaftsordnung oder -art, in der die Wirtschaft so umgestaltet wird, dass sie zu einer wirklichen Ökonomie (von griech. Oikos: Haus, Haushaltsgemeinschaft im Sinne eines guten Lebens für alle) wird, zu einem Mit- und Füreinanderleisten im Sinne unserer wirklichen Bedürfnisse, statt auf Geldvermehrung, unbedingtes Wachstum und Konkurrenz (Kontrakurrenz) zu setzen wie im Kapitalismus. Dafür ist sicherlich ein Kulturwandel nötig, der Zeit brauchen wird, wenngleich er an vielen Ecken und Enden schon in vollem Gange ist. Das BGE könnte diesen Paradigmenwechsel hin zu mehr Kooperation, Menschenfreundlichkeit und »immaterieller Wertschöpfung« beflügeln und Konzepten wie z. B. Gemeinwohlökonomie (Christian Felber), Degrowth, Postwachstumsökonomie (Niko Paech) und Solidarische Ökonomie/Commons mehr Zulauf verschaffen. All diese Vorschläge finde ich sehr interessant, und ich würde mir wünschen, dass es von alldem künftig mehr gibt. Für ein bestimmtes »System«, das den Kapitalismus ablöst, sollten wir uns meines Erachtens lieber nicht entscheiden, denn das würde wieder die Gefahr von Einseitigkeit und Dogmatismus bergen. Vielleicht haben wir im 21. Jahrhundert die Chance, vom Entweder-oder-Denken wegzukommen und auch in Sachen Gesellschaftsordnung die Vielfalt, das Sowohl-als-auch zu leben. Ich finde, das passt jedenfalls sehr gut zu Freiheit, Demokratie und Selbstbestimmung.