Leserbrief zum Artikel Trumps Gegenspieler: Schlechte Verlierer
vom 24.01.2017:
Besser als Trumps Pressesprecher
Diana Johnstone ist in vielem zuzustimmen, was sie in ihrem Kommentar zur Trump-Wahl geschrieben hat. Die Trump-Gegner jedoch im Titel als »schlechte Verlierer« zu diskriminieren, halte ich für schlechten Stil, auch wenn er – leider – dem Inhalt von Johnstones Analyse entspricht. Ihre Verächtlichmachung der Trump-Gegner auf den Straßen als »hysterische Anti-Trump-Fraktion« gipfelt in dem Satz: »Die vor allem jungen Anti-Trump-Demonstranten in den Straßen bieten das Bild von verzogenen Blagen einer hedonistischen Konsumgesellschaft, die einen Wutanfall kriegen, sobald sie nicht bekommen, was sie wollen.« Besser hätte das Trumps Pressesprecher nicht machen können. Bei der Kundgebung in Washington am 22. Januar stand zum Beispiel Angela Davis auf der Bühne (aber nicht »neben« John Kerry, wie das Andre Scheer am 23. Januar in der jW schrieb). Hochrangige Demokraten waren überhaupt nicht unter den Rednern. Statt dessen: fünf Mütter von schwarzen Opfern rassistischer Polizeigewalt, Vertreter der Natives, die wieder einmal um ihr Land und ihre Lebensgrundlagen kämpfen müssen gegen die Pläne der Ölindustrie, mexikanische Immigranten, die ebenfalls um ihre prekäre Existenz fürchten müssen, wenn Trump seine Pläne wahr macht, alle illegalen Migranten aus dem Land zu werfen, Muslime, die wie die Juden in Hitlerdeutschland allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit gesondert registriert werden sollen, und viele mehr. Und bei den spezifischen Frauen- und LGBT-Themen ging es auch nicht darum, »wer welche Toilette benutzen darf«, sondern vor allem darum, ob Beratung und Unterstützung von selbstbestimmter Familienplanung in Zukunft durch Kriminalisierung von Abtreibung und die – weltweite! – Einstellung jeglicher Mittel für Beratungsorganisationen wieder auf einen Stand von vor 60 Jahren zurückgefahren wird. Auf RT Deutsch ist die gesamte Kundgebung in Washington als professionell aufgenommenes Video dokumentiert, ungeschnitten und unkommentiert, sehr zu empfehlen! An der von Johnstone heftig kritisierten »Identitätspolitik« und Clintons Wahlkampf mag es durchaus auch Anlässe für Kritik geben. Protest und Aufbegehren diskriminierter »ethnischer und sexueller Minderheiten« aber pauschal als gefährlicher einzustufen als »Trumps zugespitzte Rhetorik über Mexikaner oder islamische Migranten« scheint mir in Anbetracht der realen Machtverhältnisse doch mehr als übertrieben.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 01.02.2017.