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Aus: Ausgabe vom 24.04.2013, Seite 3 / Schwerpunkt

Zahlenspiele

Kosten einer AKW-Katastrophe
Nukleare Katastrophen wie Tschernobyl 1986 oder Fukushima im Jahr 2011 seien extrem selten und ihre Eintrittswahrscheinlichkeit unendlich klein, ist unaufhörlich von den Schönrednern der Atomenergienutzung zu hören. Aber wenn sie eintreten, dann werden sie sehr teuer. So teuer, daß die französische Regierung es vorzog, das Ergebnis einer von ihr selbst in Auftrag gegebenen Studie über die Folgekosten einer Katastrophe in einem französischen AKW geheimzuhalten. Das war im Jahr 2007. Erst am 10. März dieses Jahres erfuhr die Öffentlichkeit von der Untersuchung, nachdem sie dem Paiser Sonntagsblatt Le Journal de Dimanche zugespielt worden war (kurzlink.de/akw-kosten).

Das Institut für Strahlenschutz und nukleare Sicherheit (IRSN), eine Regierungsbehörde, die sowohl dem Verteidigungsministerium als auch dem Ministerium für Umwelt, Industrie, Forschung und Gesundheit untersteht, hatte die Studie angefertigt. Dazu hatte es die Kosten eines Fukushima-ähnlichen Desasters für nur einen einzigen Reaktor des AKW bei Dampierre im Departement Loiret berechnet – mit verheerendem Ergebnis. Denn Frankreich würde dadurch in den finanziellen Ruin gestürzt.

Im staatlichen IRSN mit seinen 1700 Mitarbeitern ist Frankreichs Wissen über nukleare Gefahren und Strahlungsrisiken konzentriert und es darf davon ausgegangen werden, daß medienwirksame Effekthascherei bei der Studie keine Rolle gespielt hat. Verschiedene Szenarien wurden durchgerechnet, wobei im günstigsten Fall der Schaden in Dampierre 760 Milliarden Euro betragen würde, etwa ein Drittel der jährlichen Wirtschaftsleistung des Landes. Am anderen Ende des Spektrums, also im schlimmsten Fall, würden die Kosten auf 5,8 Billionen Euro steigen, etwa das Zweieinhalbfache des französischen Bruttoinlandsprodukts. Ein vernichtender Schlag.


Aber Frankreich gewinnt 75 Prozent seines Stroms aus der Kernenergie. Die gesamte Nuklearwirtschaft wird vom Staat kontrolliert, der auch 85 Prozent des EDF-Konzerns besitzt, mitsamt seinen 58 aktiven Reaktoren in 20 Atomkraftwerken. Folglich veröffentlichte das IRSN vor wenigen Wochen dann doch noch eine politisch korrekte, für die Öffentlichkeit bestimmte Version, in der sich die Kosten eines atomaren Desasters nur noch auf 430 Milliarden Euro belaufen.

(rwr)

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