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Soldaten gen Süden
Militär gegen Migration: »Humanitäre« Zuwanderung unter US-Demokraten
Während sich die humanitäre Notlage Tausender lateinamerikanischer Migranten an der Südgrenze der USA immer weiter zuspitzt, setzt Washington vor allem auf Abschottung und das Militär. Der US-Sender NBC News meldete am Dienstag, dass »hochrangige Regierungsvertreter« darauf drängen, zusätzliche Truppen in den Darién-Gap zu entsenden, eine Lücke in der Panamericana, der Straße, die Mittel- und Südamerika verbindet. Dort führt die Strecke unbefestigt durch den Regenwald, über steile Felsformationen und durch Sumpfgebiete. Anfang Mai hatte die Regierung von Joseph Biden bereits angekündigt, neben rund 2.500 bereits stationierten Nationalgardisten weitere 1.500 Soldaten an die Grenze zu Mexiko zu schicken. Wie zur Rechtfertigung rief der dortige US-Botschafter Kenneth Salazar laut einem Bericht der Tageszeitung La Jornada vom selben Tag beide Kongressparteien dazu auf, »gemeinsam an der Sicherung der Grenze zu arbeiten, da schätzungsweise 20 Millionen Menschen den amerikanischen Kontinent überqueren«.
Indirekt widerlegte Salazar allerdings auch den Eindruck, dass sich die humanitäre Situation von Asylsuchenden unter der Regierung seines Parteifreundes Biden gegenüber den Zuständen unter dem Regime des offen rassistisch agierenden republikanischen Vorgängers Donald Trump wesentlich verbessert hätte. »Das Migrationssystem, das wir in der westlichen Hemisphäre und besonders in den Vereinigten Staaten haben, ist ein sehr kaputtes System, und weil es kaputt ist, sieht man den humanitären Schmerz im gesamten Migrationskorridor, ich nenne ihn den schmerzhaften Korridor«, räumte der Großgrundbesitzer aus Colorado ein. Salazar weiß, wovon er spricht. Von Januar 2009 bis April 2013 war er Innenminister der USA unter Präsident Barack Obama. Der Diplomat hatte darauf hingewiesen, dass »dieser Schmerz im Grenzstreifen zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko, entlang der gesamten Route durch das Land in Richtung Norden, durch die Länder Mittelamerikas, im Dschungel von Darién und in anderen Gebieten entlang der Migrationsroute zu sehen sei«, berichtete La Jornada. Seine Regierung setze deshalb darauf, Hoffnung für die Herkunftsländer der Migranten zu wecken, etwa durch die Entwicklung besserer Bedingungen in diesen Ländern, die Förderung von Investitionen an den Orten der größten Armut in der Region und durch Umgestaltung des Migrationssystems, damit die Einwanderung geordnet abläuft, erklärte Bidens Botschafter.
Angesichts der tatsächlich stattfindenden Militarisierung der US-Südgrenze, des Darién-Gap und anderer Regionen entlang der Migrantenrouten wirken die Erklärungen wie hohle Phrasen. Sie offenbaren jedoch das Dilemma der US-Regierung, die Migranten einerseits weiterhin als billige Arbeitskräfte ins Land lassen will, andererseits aber Schutzsuchende an der Grenze zurückweist und die Separation zwischen den für die US-Wirtschaft nützlichen und den unerwünschten Migranten zunehmend an die Transitländer delegiert. Der oft inhumane Umgang mit ihnen wird dann nicht der US-Politik, sondern diesen Ländern angelastet. So zum Beispiel, als die mexikanische Polizei am Dienstag in der Grenzstadt Ciudad Juárez ein Camp auflöste, das Schutzsuchende in unmittelbarer Nähe eines Einwanderungszentrums errichtet hatten, wo Ende März ein Feuer ausgebrochen war. Dutzende Menschen aus Lateinamerika waren dabei ums Leben gekommen.
Die Anbiederung an die Rechten durch mehr Militär nützt Biden offenbar wenig. Im eigenen Land werden seine Pläne für eine angeblich »geordnete Einwanderung« vor der Präsidentschaftswahl zunehmend zum Thema. Jüngstes Beispiel dafür ist eine am Dienstag vom Bundesstaat Texas eingereichte Klage gegen die US-Regierung wegen einer neuen Regelung, die es ermöglicht, über eine Telefon-App Termine an der Grenze zwischen den USA und Mexiko zu vereinbaren, um in den Vereinigten Staaten Asyl zu beantragen. »Die Biden-Administration hat diese App mit dem Ziel entwickelt, noch mehr Ausländern eine illegale Vorabgenehmigung zu erteilen, damit sie in das Land einreisen und nach ihrer Ankunft tun und lassen können, was sie wollen«, argumentierte der texanische Generalstaatsanwalt Kenneth Paxton in einer Pressemitteilung. Paxton, der zum ultrarechten »Tea Party Movement« gehört und als Anhänger Trumps gilt, beschuldigt Biden, die »illegale Einwanderung« zu fördern.