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12.12.2013, 22:06:40 / Weltfestspiele 2013

Steiniger Weg

Von Christian Selz, Quito
Diego Vintimilla
Diego Vintimilla

Paula Romo macht sich keine Illusionen über die Verhältnisse in ihrem Land. »Es gibt tiefe Gräben zwischen den Menschen und den Parteien«, sagt die 34jährige, die seit 2007 für die Partei von Staatspräsident Rafael Correa, Movimiento PAIS, im ecuadorianischen Parlament sitzt. Bis zu dessen Amtsantritt im gleichen Jahr sei das Andenland »vom Kapital, von Spekulanten, dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank« abhängig gewesen, berichtet sie. Das Resultat: »Die Leute hassen die Politik.« Romo versucht seitdem, die Gräben zuzuschütten. Wie die Regierungsallianz, der sie angehört, das in Ecuador erreichen will, erklärte sie am Dienstag bei einer Gesprächsrunde im Rahmen der 18. Weltfestspiele der Jugend und Studenten im Gebäude der Nationalversammlung in der Hauptstadt Quito.

Es ist ein steiniger Weg zum Sozialismus des 21. Jahrhunderts, den die Regierung Correa anstrebt. Er orientiert sich mehr an den sozialen und ökonomischen Realitäten Ecuadors, als an den Idealen von »Superlinken«. So jedenfalls hat der Präsident seine Kritiker getauft, die ihm einen zu unentschlossenen, zu langsamen, zu wenig marxistischen Kurs vorwerfen. »Wir haben die Ölverträge neu verhandelt, und wir sind dabei, unsere Rohstoffvorkommen wieder in Besitz zu nehmen«, verweist Romo auf erste wirtschaftspolitische Meilensteine. Damit einher gehe der Aufbau des Sozialstaats. »In dieser Phase versuchen wir, die Armut zu bekämpfen. Wir arbeiten am Gesundheitswesen, an der Bildung und an der sozialen Sicherung«, erklärt sie. Lange Jahre sei viel Geld dafür verwendet worden, internationale Kredite zu bedienen. »Jetzt investieren wir in die Infrastruktur für unser Volk, in Schulen und Krankenhäuser.« In gestochen scharfer Rhetorik verweist die junge Frau auf die Gesetze, die den politischen Wandel in ihrem Land ausmachen, und auf die neue Verfassung, die endlich die Rechte der indigenen Bevölkerung anerkennt und ihre Gerechtigkeitsvorstellungen in eigenen Gesetzen abbildet.

Die historisch ausgeschlossenen Gruppen werden zudem mit einem Programm »affirmativer Aktionen« unterstützt, das ihnen den Zugang zu Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst und zum Bildungssystem erleichtert, fügt Diego Vintimilla hinzu. Der Sekretär für internationale Beziehungen der Kommunistischen Jugend Ecuadors (JCE) ist ein weiterer Politiker aus der visionären Riege und ebenfalls Teil der Regierungsbewegung. 43 Prozent der Parlamentsabgeordneten sind unter 40 Jahre alt, ebenso hoch ist der Frauenanteil in der Nationalversammlung. Es ist eine junge Legislative, die sich da anschickt, die Probleme des Landes anzugehen.

Einfach wird das nicht. Die sozialen und wirtschaftspolitischen Herausforderungen sind sieben Jahre nach der Überwindung postkolonialer Marionettenregime noch immer groß in Ecuador. 40 Prozent der arbeitenden Bevölkerung wird dem »informellen Sektor« zugerechnet und lebt beispielsweise von Selbstangebautem und kleinen Verkaufsständen am Straßenrand. Diese Menschen sollen nun mit die Volkswirtschaft aufbauen, Genossenschaften bilden, Zugang zu formellen Märkten bekommen – nicht mit Krediten großer Banken, sondern als Gemeinschaftsorganisationen. Ein Gesetz zur Kontrolle der Marktkräfte soll dafür die Voraussetzungen schaffen.

Diese neue Regierung Ecuadors, das wird bei allen noch existierenden Problemen klar, ist weit davon entfernt, wie ihre Vorgänger als Sprachrohr der Großkonzerne zu agieren. Der politische Prozeß in Ecuador sei nur im Zusammenhang mit den Entwicklungen in Lateinamerika zu verstehen, unterstreicht Romo die politischen Visionen ihrer Regierung. Eine Prise Pathos darf aber auch nicht fehlen: »Nichts für uns, alles für das Land, alles für das Volk«, beendet sie ihre Rede zu den Weltfestspielgästen mit einer Parole des liberalen Revolutionärs Eloy Alfaro, der von 1895 bis 1901 und von 1906 bis 1911 Präsident Ecuadors war.

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