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Aus: Thälmann, Beilage der jW vom 14.08.2024
Thälmann

Ungebrochene Ausstrahlung

Zum 80. Todestag Ernst Thälmanns
Von Nico Popp
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Transportarbeiter und Vorsitzender der Kommunistischen Partei Deutschlands: Ernst Thälmann, ermordet am 18. August 1944 im KZ Buchenwald

Der ermordete Vorsitzende der KPD ist 80 Jahre nach seinem Tod auf eigentümliche Weise weiter Teil des historischen und politischen Gedächtnisses. Er ist, da muss man sich nichts vormachen, nicht mehr »populär«, wie das in der DDR, in der ungeheuer viel für eine Popularisierung der Erinnerung an ihn und die anderen Opfer des deutschen Faschismus getan wurde, zweifellos der Fall war. Und doch ist davon ein Kern geblieben – mit Thälmann können weiterhin auch Menschen außerhalb des eng gewordenen und noch immer enger werdenden Horizontes kommunistischer Organisierung und kritischer Geschichtswissenschaft etwas anfangen.

Das ist keineswegs allein der noch immer nicht gänzlich verlorene Ertrag der erinnerungspolitischen Anstrengungen in der DDR, sondern mindestens genauso ein Ausdruck einer genuinen persönlichen und politischen Ausstrahlung Thälmanns, die nun beinahe ein Jahrhundert überdauert hat – auch den Zusammenbruch der kommunistischen Bewegung in Deutschland am Ende des 20. Jahrhunderts. Das ist erstaunlich, weil gerade Thälmann und die von ihm geführte Partei bis heute Ziel von Angriffen sind, die gleichermaßen von konservativen, sozialdemokratischen und »linken« Antikommunisten vorgetragen werden.

Da sind etwa die alle paar Jahre wieder erneuerten Beschwerden darüber, dass es im Osten der Republik »immer noch« Thälmann-Denkmale und gar nicht wenige Ernst-Thälmann-Straßen gibt. Das mag mitunter wie eine Hampelei wirken, zeigt aber ziemlich präzise die antikommunistische Prägung der zeitgeschichtlichen Diskurse in diesem Land an – in keinem anderen Land Mittel- und Westeuropas wäre es überhaupt vorstellbar, im »respektablen« liberalen Diskurs mit der Forderung anzutreten, den Namen eines Antifaschisten aus dem öffentlichen Raum zu tilgen, der nach elfjähriger Gefangenschaft und Isolation in ein faschistisches Konzentrationslager verbracht wurde, um dort an der Schwelle des Krematoriums hinterrücks über den Haufen geschossen zu werden.

In Deutschland geht das, und was Thälmann angeht, finden solche Wortmeldungen in einem ganz spezifischen Kontext statt. Da ist die persönliche Diffamierung: Thälmann, der heillos überforderte Arbeiter ohne Bildung, der als Mann Moskaus über eine »Stalinisierung« der KPD präsidierte und »eine verhängnisvolle Rolle spielte«, von der Kommunistischen Internationale in seine Position gehoben, obwohl er »eher als Provinzpolitiker denn als Parteivorsitzender geeignet war«, wie es mit hasserfülltem Dünkel in einem als »Standardwerk« gepriesenen biographischen Handbuch heißt, das der Karl-Dietz-Verlag, Hausverlag der Rosa-Luxemburg-Stiftung, herausgebracht hat.

Und da ist die von konservativen und sozialdemokratischen Historikern in jahrzehntelanger Arbeitsteilung verankerte Legende, die Weimarer Republik sei einem Zangenangriff der »extremen« Parteien »von links und rechts« erlegen. An deutschen Schulen und in der historischen Publizistik werden seit Menschengedenken Varianten dieser Erzählung vermittelt, und es soll Leute geben, die diesen Unfug repetieren können, aber noch nie davon gehört haben, dass die Nazis 1933 eine Regierung mit den Konservativen gebildet haben. Und auch noch nie davon, dass es die Führungen der SPD und der Gewerkschaften waren, die in der entscheidenden Stunde die Aufrufe der KPD zu Massenaktionen gegen die faschistische Regierung zurückwiesen.

Dass die KPD in den Jahren davor eine Politik getrieben hatte, die es den reformistischen Funktionären leicht machte, diese Entscheidung zu treffen, ohne hinweggefegt zu werden, trifft zu – aber das ändert nichts daran, dass genau bestimmt werden sollte, wer mit den Nazis paktiert hat und wer nicht gegen sie kämpfen wollte, als ihnen noch beizukommen gewesen wäre. Und das war nicht die KPD mit ihrem Vorsitzenden Ernst Thälmann.

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