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Aus: Kampf ums Klima, Beilage der jW vom 12.04.2023
Klimakrise

Dünnes Eis

Welt steuert auf Erderwärmung von bis zu 3,5 Grad zu. Folgen wären verheerend. Radikale Maßnahmen können die Katastrophe aber noch begrenzen
Von Raphaël Schmeller
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Die Bilder zu dieser Beilage stammen aus einer Fotoserie, die die Arbeits- und Lebensverhältnisse auf den Kohlefeldern von Barishal im Süden von Bangladesch dokumentiert. Entlang des Kirtonkhola-Flusses arbeiten hier Menschen, um einen Mindestlohn von umgerechnet drei US-Dollar pro Tag zu verdienen. Die Arbeiter bauen wöchentlich tonnenweise Kohle ab, die dann von der Mine mit Körben auf ein Frachtschiff verladen wird.

Ein Eisbär auf einer dünner werdenden Eisscholle – jahrelang war das das Motiv, um vor der Klimakrise zu warnen. Mittlerweile haben die infolge der Erderwärmung eintretenden Umweltkatastrophen aber alle Erdteile erreicht. Als Symbol für den Klimanotstand dienen somit auch andere Bilder, in der BRD etwa die von den zerstörerischen Überschwemmungen im Ahrtal 2021, die gezeigt haben: Die Klimakrise lässt sich längst auch dort spüren, wo sich Menschen vor ein paar Jahren noch vor ihr sicher fühlten. UN-Generalsekretär António Guterres sagte dazu treffend: »Die Menschheit befindet sich auf dünnem Eis – und dieses Eis schmilzt schnell.«

Anlass für diese Aussage war der jüngste Bericht des Weltklimarats IPCC, der Ende März veröffentlicht wurde. Aus dem Bericht ergeben sich zwei wesentliche Punkte. Erstens: Wenn die Regierungen ihre Anstrengungen zur Minderung der Emissionen nicht deutlich ausbauen, steuert die Welt auf eine Erderwärmung von 2,2 bis 3,5 Grad zu. Das hätte katastrophale Folgen. Laut einer 2020 in der renommierten Fachzeitschrift Nature Climate Change veröffentlichten Analyse wären damit bis 2100 bis zu drei von vier Menschen vom Tod durch Überhitzung bedroht.

Es gibt aber ein zweites entscheidendes Element in dem IPCC-Bericht: Die Menschheit kann die Katastrophe noch verhindern, und der Rest dieses Jahrzehnts wird hier entscheidend sein. Dafür müssen radikale Lösungen her, das heißt, es müssen die Verantwortlichen für die Katastrophe ins Visier genommen werden. Das sind in erster Linie die 100 größten multinationalen Konzerne, die für 71 Prozent der Treibhausgas- und Kohlenstoffemissionen auf der Erde verantwortlich sind, sowie die 125 Milliardäre, die in einem Jahr so viel CO2 verursachen wie ganz Frankreich, wie eine Oxfam-Studie zeigt. Der Prozess der Kapitalakkumulation zerstört also sowohl den Planeten als auch seine Bewohner. Der antikapitalistische Kampf ist damit untrennbar sozial und ökologisch.

Zurück zum weißen Riesen: Derzeit wird die Eisbärenpopulation auf insgesamt etwa 26.000 Exemplare geschätzt. Die nördlichen Polarregionen, die er bewohnt, erhitzen sich mit zunehmendem Klimawandel deutlich schneller als andere Erdteile. »Wir sehen, dass sich viele der Bären heute viel weiter nördlich befinden – einfach deshalb, weil sie viel Zeit auf dem Meereis verbringen und das Eis einen Großteil des Jahres 200, 300 Kilometer weiter nördlich ist als üblich«, konstatierte kürzlich der Arktisforscher Bjørn Munro Jenssen vom Universitätszentrum von Spitzbergen (Unis). Die Zeit zum Seehundjagen werde für die Bären zudem kürzer und kürzer. Auf Spitzbergen jagten sie nun viel häufiger auch Rentiere und plünderten Vogelnester.

Zum Problem des schmelzenden Meereises kommt ein weiteres hinzu: Ein internationales Forscherteam hat in einem Eisbohrkern in Spitzbergen 26 unterschiedliche per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) gefunden. Das sind chemische Stoffe, die zum Beispiel dafür genutzt werden, Pfannen oder Jacken schmutz- und wasserabweisend zu machen. Ihr Problem: Sie verschwinden nicht ohne weiteres aus der Umwelt, weshalb sie oft auch als »ewige Chemikalien« bezeichnet werden. Für Gesundheit und Umwelt können sie zudem schädlich sein. Auch für die Bären stellen sie ein Risiko dar: Die Sorge ist, dass die durch die Atmosphäre transportierten Chemikalien aus entfernten Regionen in Amerika, Europa und Asien in arktische Gletscher und von dort ins Meer gelangen, wie Jenssen erklärt. Sie könnten es dann letztlich die gesamte Nahrungskette hinaufschaffen – von Plankton über Fische und Seehunde bis hin zum besagten Eisbären.

Die Bilder zu dieser Beilage stammen aus einer Fotoserie, die die Arbeits- und Lebensverhältnisse auf den Kohlefeldern von Barishal im Süden von Bangladesch dokumentiert. Entlang des ­Kirtonkhola-Flusses arbeiten hier Menschen, um einen Mindestlohn von umgerechnet drei US-Dollar pro Tag zu verdienen. Die Arbeiter bauen wöchentlich tonnenweise Kohle ab, die dann von der Mine mit Körben auf ein Frachtschiff verladen wird.

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