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Aus: Unser Amerika, Beilage der jW vom 22.07.2020
Kampf um Vergangenheit und Zukunft

Geschichte wird gemacht

Lateinamerika zeigt: Die Kämpfe für eine bessere Zukunft müssen aus der Vergangenheit lernen
Von Frederic Schnatterer
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Ein Jahrestag mit Bedeutung für die Linke weltweit: Am 4. September 1970, vor 50 Jahren, gewann das Linksbündnis »Unidad Popular« die Wahlen in Chile, der Sozialist Salvador Allende wurde Präsident. So begann der »chilenische Weg zum Sozialismus«, der allerdings nur drei Jahre andauern sollte. Die sozialistische Regierung war der Bourgeoisie und den imperialistischen Mächten, allen voran den USA, von Beginn an ein Dorn im Auge.

Am 11. September 1973 putschte das von der CIA unterstützte Militär. Ab den frühen Morgenstunden hatten vom späteren Diktator Augusto Pinochet befehligte Soldaten die Städte des Landes besetzt und den Präsidentenpalast in Santiago unter Beschuss genommen. In der letzten Rede vor seinem Tod erklärte Allende im KP-Sender Radio Magallanes. »Sie haben die Gewalt, sie können zur Sklaverei zurückkehren. Aber man kann weder durch Verbrechen noch durch Gewalt die gesellschaftlichen Prozesse aufhalten.«

Bestes Beispiel dafür ist Kuba: Seit dem Triumph der Revolution am 1. Januar 1959 steht das Land für eine Alternative zum kapitalistischen Wahnsinn. Unzählige Attentatsversuche und bewaffnete Attacken wie die vereitelte Invasion in der Schweinebucht konnten den Sozialismus auf der Insel nicht in die Knie zwingen. Auch die Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade Washingtons hat ihr Ziel, die kubanische Wirtschaft zu »erdrosseln«, nicht erreicht. Um so bewundernswerter, dass Havanna trotz aller durch die Sanktionen verursachten Probleme für den kubanischen Alltag gerade heute wieder auf internationale Solidarität setzt, wie Volker Hermsdorf in seinem Beitrag zu dieser Beilage berichtet.

Auch in Venezuela tun die USA alles, um die Regierung von Nicolás Maduro zu stürzen. Nachdem dessen Vorgänger Hugo Chávez 1998 ins Präsidentenamt gewählt worden war, dauerte es keine vier Jahre, bis es am 12. April 2002 zum – gescheiterten – Putschversuch gegen den Anführer der Bolivarischen Revolution kam. Wie Santiago Baez in seinem Beitrag für diese Beilage beschreibt, ist auch der Putschist und selbsternannte »Übergangspräsident« Juan Guaidó zum Scheitern verurteilt. Spätestens durch die für den 6. Dezember anberaumten Parlamentswahlen wird der rechte Politiker den letzten Rest seiner fiktiven Legitimation verlieren.

Dass die Gefahr von US-unterstützten Staatsstreichen gegen linke Regierungen in Lateinamerika indes noch lange nicht gebannt ist, zeigt das Beispiel Bolivien. Nachdem die rechte Opposition dem Präsidenten Evo Morales eine systematische Fälschung der Ergebnisse der Präsidentschaftswahl im Oktober 2019 vorgeworfen hatte, zwangen revoltierende Polizisten und Militärs den Linken zum Rücktritt. Seitdem herrschen wieder die Eliten aus der Zeit vor Morales, die alle gemachten Fortschritte rückgängig machen wollen, wie Björn Brunner und Araceli Gómez in ihrem Beitrag darlegen.

Allerdings gestaltet sich die Einflussnahme auf lateinamerikanische Länder für Washington immer schwieriger, auch, aber nicht nur wegen der Coronakrise. Schon seit mehreren Jahren gewinnt die Volksrepublik China an Bedeutung in der Region – und wird dazu, gerade auf wirtschaftlicher Ebene, zu einer wirklichen Alternative zu den USA. Darum, diese neue Konjunktur zu verstehen, geht es in einem weiteren Beitrag dieser Beilage.

In Chile stand bereits am 11. März ein weiterer wichtiger Jahrestag an – zum 30. Mail jährte sich das formale Ende der Diktatur von Pinochet. Dass es jedoch mit einer »Rückkehr zur Demokratie« noch nicht getan ist, zeigt der Beitrag von Sophia Boddenberg. In diesem macht die Autorin deutlich, dass die heutigen Proteste sich einerseits gegen das Erbe der Diktatur richten, andererseits aus den Erfahrungen des Widerstands Kraft ziehen. Denn aus früheren und heutigen Kämpfen lassen sich Lehren und Kraft für den Kampf um eine bessere Zukunft ziehen.

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