Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2024
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Aus: Gewerkschaften, Beilage der jW vom 25.09.2008

Das System ist krank

Klinikfinanzierung muß grundlegend umgestaltet werden
Von Daniel Behruzi

Drei Milliarden Euro will Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) für die notleidenden Kliniken vom Beitragszahler. Immerhin: Ein erster Erfolg des von Gewerkschaften und Krankenhausträgern initiierten Aktionsbündnisses »Rettung der Krankenhäuser«, das am heutigen Donnerstag zur Demonstration nach Berlin mobilisiert. Doch ist diese Summe, mit der in den kommenden drei Jahren 21000 neue Stellen für Schwestern und Pfleger finanziert werden sollen, viel zu gering. Eine »verzweifelte Notoperation ohne nachhaltige Heilungschance« nennt Ellen Paschke vom ver.di-Bundesvorstand die angekündigte Maßnahme. Zu Recht: Schließlich sind seit 1996 rund 100000 Arbeitsplätze in den Kliniken vernichtet worden – bei zugleich deutlich gestiegenen Fallzahlen. Und allein für Investitionen benötigen die Häuser rund 50 Milliarden Euro.

Einzelne Notmaßnahmen reichen längst nicht mehr. Nötig ist eine grundlegende Umgestaltung des Systems der Krankenhausfinanzierung, um die drohende Katastrophe – rund 700 der insgesamt 2100 Kliniken stehen nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft vor dem finanziellen Kollaps – noch abzuwenden. Erstens muß die Budgetdeckelung weg, die eine Steigerung der Klinikausgaben über die Koppelung an die Entwicklung der sogenannten Grundlohnrate beschränkt. In diesem Jahr sind das gerade mal 0,14 Prozent, viel zu wenig allein für die wachsenden Energie- und Personalkosten.

Zweitens muß die Finanzierung über Fallpauschalen (DRG) abgeschafft werden, die erhebliche Fehlsteuerungen und eine immanente Unterfinanzierung zur Folge hat. Denn mit den DRGs erstatten die Krankenkassen den Häusern nicht mehr die bei Behandlungen tatsächlich anfallenden Kosten, sondern nur Pauschalbeträge für definierte Fälle. Die Folge: Es entsteht ein permanenter Druck, die Liegezeiten zu verkürzen und mehr Fälle zu akquirieren. Und: Die privaten Klinikkonzerne spezialisieren sich auf die lukrativsten Behandlungen für die öffentlichen Häuser der Maximalversorgung haben das Nachsehen. Bei Berechnung der DRGs werden die durchschnittlich anfallenden Kosten zugrundegelegt. Das bedeutet, daß die darüber liegenden Kliniken gezwungen sind, ihre Kosten zu senken – wodurch wiederum der Durchschnitt sinkt: eine unaufhaltsame Spirale nach unten.

Die Aufwendungen für Investitionen und die Instandhaltung der Häuser müssen nach der aktuellen Gesetzeslage von den Bundesländern getragen werden. Nur kommen diese ihrer Verpflichtung kaum nach: 2006 lagen die Zuschüsse bei gerade noch 2,7 Milliarden Euro. Das waren laut ver.di nur 54,4 Prozent der erforderlichen Mittel. In der Folge werden Investitionen durch Personalabbau und Lohnraub finanziert.

Um diesen Zustand zu beenden, ist massiver Widerstand vonnöten. Die heutige Demonstration kann dafür ein wichtiger, aber nur ein erster Schritt sein. Die Öffentlichkeitsarbeit und der Protest müssen vor Ort, in den Kliniken weitergehen. Eine wichtige Rolle kann dabei die ver.di-Forderung nach »verbindlichen Regeln für ein analytisches Personalbemessungssystem« spielen. Das heißt: Es wird festgelegt, wie viele Stellen für wie viele Patienten und Fälle zur Verfügung stehen müssen. Eine entsprechende Richtlinie gab es 1992 mit der Pflegepersonalregelung (PPR) schon einmal. Allerdings war diese bereits damals unzureichend und wurde in der Praxis nie umgesetzt. Ver.di könnte nicht nur eine gesetzliche Vorgabe fordern, sondern dies auch zu einer tarifpolitischen Frage machen.

Klar ist: Bei diesem Thema endet die Einigkeit zwischen Gewerkschaften und Klinikbetreibern ebenso wie bei der Forderung nach angemessenen Einkommen. Schon während der gemeinsamen Kampagne werden die Interessengegensätze auch durch die fortgesetzten Versuche diverser Vorstände, Tarifregelungen per Ausgründungen zu unterlaufen oder Bereiche gleich ganz zu privatisieren, deutlich. Die eigene Mobilisierungsfähigkeit zu stärken, das bleibt für die Gewerkschaften daher die zentrale Aufgabe.



* Siehe Schwerpunkt Gesundheit auf den Seiten 4 bis 7

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