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Aus: sechzig jahre jw, Beilage der jW vom 23.06.2007

Das entwickelt sich

Der Start in das siebte jungeWelt-Jahrzehnt war erfolgreich, trotz Hindernissen
Von Arnold Schölzel
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Der britische Verteidigungsminister befragte kürzlich seine Strategen, wie die Welt in dreißig Jahren aussieht. Am Ostermontag kamen die Antworten und eine lautete: Die globale Mittelklasse fängt wieder an, Marx zu lesen und organisiert sich. Spiegel online titelte: »Briten fürchten Strahlen, Chips und Neomarxismus.« Der Hintergrund sind aus der Sicht der Bedrohungsszenaristen die sozialen »Segnungen« des weltweit triumphierenden Kapitalismus. In drei Jahren wird mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten leben, viele Menschen in Slums. 2035 könnten es bereits 60 Prozent sein, »zusammen mit Not und Arbeitslosigkeit ein Treibsatz für soziale Unzufriedenheit«, faßte Spiegel online den Text zusammen und zitierte aus dem Guar­dian: »Die Mittelklassen könnten eine revolutionäre Klasse werden, und jene Rolle übernehmen, die Marx für das Proletariat vorgesehen hatte.« Aufgerieben zwischen wachsender sozialer Verelendung einerseits und dem schamlosen Leben der Superreichen andererseits verbünden sich demnach die Leistungs- und Wissenseliten, die früher einmal Bildungsbürger und Facharbeiter genannt wurden, zu einem schlagkräftigen Interessenverbund.

Soll sich die jW-Redaktion also zurücklehnen und erstens behaupten, das habe sie schon immer gewußt, und zweitens hätten die Briten solch eine Prognose billiger von ihr haben können, und drittens sei damit klar, daß die junge Welt um das Jahr 2037 als eine globale Ausgabe in Millionenauflage erscheinen müsse? Letzteres ist selbstverständlich ein klar umrissenes Ziel, das in den Strategien des jW-Think-tanks für Zukunftsfestlegungen längst festgezurrt ist. Zuvor kämpfen wir allerdings darum, die junge-Welt-Auflage dauerhaft über die 20000er Marke täglich zu hieven und vor allem, Abos, Abos und noch einmal Abonnements zu gewinnen. Denn eins steht fest: Auf dem Weg, den die Briten vorzeichnen, wird eine Zeitung wie die junge Welt keine andere Finanzquelle haben als ihre Leserschaft.

Auf den Lorbeeren für 60 Jahre antifaschistischen, antikapitalistischen und antimilitaristischen Journalismus ausruhen ist also nicht angesagt. Im Gegenteil. Von selbst erfüllen sich Prognosen nicht, und außerdem sind sie – man kann es nicht oft genug sagen – kompliziert, weil sie mit der Zukunft zu tun haben. Aber es gibt Unumstößliches. Die junge Welt zählt dazu, eben weil die Welt so ist, wie sie ist und dringend verändert werden muß. Veränderung haben die britischen Militärfuturologen nicht in ihren Glaskugeln gesehen. Der Bedarf nach Veränderung aber, so läßt sich aus ihren Aussagen folgern, wird wachsen. Die junge Welt wird darüber berichten und diejenigen unterstützen, die für eine reale Verbesserung der sozialen Situation hierzulande und in der Welt eintreten. Mit unseren Erfahrungen aus dem realen Sozialismus, dem Untergang einer Staatenwelt, der jW-Existenz im 60. Jahr trotz aller Versuche, diese Zeitung zu beseitigen, haben wir, was gesellschaftliche Umwälzungen und Zeitungsauferstehungen angeht, jede Menge Übung. Das könnte dabei helfen, daß die Zustände, die für 2037 vorhergesagt werden, nicht eintreten, z.B. weil die Leute viel früher als in London gedacht anfangen, Marx und eine marxistisch orientierte Zeitung zu lesen.

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Die Grenzen in Europa wurden bereits 1999 durch militärische Gewalt verschoben. Heute wie damals berichtet die Tageszeitung junge Welt über Aufrüstung und mediales Kriegsgetrommel. Kriegstüchtigkeit wird zur neuen Normalität erklärt. Nicht mit uns!

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