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Aus: sechzig jahre jw, Beilage der jW vom 13.01.2007

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Eine konsequent linke, sozialistische Tageszeitung bleibt machbar, Herr Nachbar
Von Arnold Schölzel
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Neulich war zu lesen, daß ein US-Medienwissenschaftler ziemlich genau das Datum kennt, an dem es in den USA keine Zeitung mehr geben wird: Erstes Quartal 2043. Für Vorhersagen dieser Art gilt generell: »Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.« Diese erinnert an das Kalkül des IBM-Chefs im Jahr 1943, es gebe einen Weltmarkt für etwa fünf Computer.

Eine völlig unkomplizierte Prognose läßt sich für die junge Welt abgeben: Es wird sie auch in den nächsten sechs Jahrzehnten geben. Ob auf Papier oder in anderer Form, sei dahingestellt, aber als Zeitung in jedem Fall. Das läßt sich schon daraus ableiten, daß keine andere Zeitung derart viele Meldungen über ihr Ableben hinter sich hat. Die junge Welt ist bankrotterfahren. Es gab sie schon öfter nicht mehr, was sie nicht daran hinderte, erneut zu erscheinen. Vorgänge solcher Art waren in der Vergangenheit Anlaß, Weltreligionen zu stiften – davon kann hier keine Rede sein. Die junge Welt schien mehrfach abgewickelt, aus und vorbei, keiner rechnete mehr mit ihr. Zum Glück für die Zeitung, wie der Publizist Otto Köhler in seiner Laudatio zur Verleihung des Erich-Mühsam-Preises an die junge Welt 2003 meinte.

Aber es gibt einen wichtigeren Grund dafür, daß die Zukunft der jungen Welt ziemlich klar ist. Das ist das tiefsitzende, schwer zu beseitigende, weil völlig einfache Bedürfnis sehr vieler Leute: Die Nachrichten zu erfahren, die besagen, daß die Zustände, in denen wir derzeit leben, nicht das letzte Wort der Geschichte sind. Jene kleinen Ereignisse mitgeteilt zu erhalten, aus denen sich auf große Veschiebungen in der Weltgeschichte schließen läßt. Wer möchte schon, daß Angela Merkel und George W. Bush den Weltlauf bestimmen? Man kann es auch Lust auf Veränderung nennen oder wenn es ganz hartnäckig kommt: Arbeiten für Sozialismus. Unbankrottbar ist offenbar die Vorstellung, daß niemand sich das tägliche An-der-Nase-Herumführen in Politik und Medien gefallen lassen muß. Es gibt Menschen, die ein Gedächtnis haben und sich daran erinnern, daß nicht alles im Leben auf Kaufen und Verkaufen reduziert werden muß, auf blöde Öde und brutale Idiotie, auf Senkung der Lohnnebenkosten und Landesverteidigung am Hindukusch. Die Macher der jungen Welt haben den Eindruck, daß die Zahl solcher Menschen zunimmt. Nicht sehr schnell, in der Bundesrepublik und in Europa vielleicht etwas langsamer als anderswo in der Welt, aber stetig. Deswegen ist die Vorhersage, was die zukünftige junge Welt angeht, nicht besonders kompliziert.

Sie läßt sich auch so zusammenfassen: Je länger der Kapitalismus dauert, desto größer das genannte Bedürfnis. Wo eine offizielle Arbeitslosigkeit von vier Millionen Menschen wirtschaftlicher »Aufschwung« heißen, wo Kriege mit Zehntausenden und Hunderttausenden Toten geführt und unterstützt werden, da breitet es sich aus, da drängt es viele, etwas zu tun. Da geht es nicht ums Warten auf den St. Nimmerleinstag, sondern darum, hier und heute das Verscherbeln von Wohnungen, Energie und Wasser zu verhindern, das Drehen an der Schikanespirale gegen Arbeitslose, Alte, Jugendliche und Kranke zu stoppen und die Kriegsführer zu lehren, daß sie die Waffen haben, aber nicht die Mehrheit der Bevölkerung.

Antifaschistisch, antikapitalistisch und gegen den imperialistischen Krieg: Solange der Kapitalismus dauert, bleibt die junge Welt nötig. Je rascher er überwunden werden muß, desto nötiger wird sie. Daß es sie im Sozialismus geben muß, wurde schon geprobt.

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Die Grenzen in Europa wurden bereits 1999 durch militärische Gewalt verschoben. Heute wie damals berichtet die Tageszeitung junge Welt über Aufrüstung und mediales Kriegsgetrommel. Kriegstüchtigkeit wird zur neuen Normalität erklärt. Nicht mit uns!

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