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Aus: Ausgabe vom 22.10.2007, Seite 3 / Schwerpunkt

Das Buch: »Anne Willing – Die Wende vor der Wende«

»Anne Willing – Die Wende vor der Wende« von André Müller sen. ist ein »hochgescheiter DDR-Liebesroman«, wie Dietmar Dath in der FAZ befand. Der Kölner Schriftsteller André Müller sen. erzählt die Geschichte, wie Dieter Kaufmann, Kommunist aus Westdeutschland und Übersetzer aus dem Spanischen, sich zu Beginn der 70er Jahre in Ostberlin in die Autorin Anne Willing verliebt – vor dem Hintergrund des Machtwechsels in der DDR-Staatsführung von Walter Ulbricht zu Erich Honecker. Kaufmann möchte eine deutschsprachige Werk­ausgabe der spanischen Klassik herausbringen und wird in dieser Angelegenheit einmal von Ulbricht empfangen, der das Projekt unterstützen möchte. Bei seinen Aufenthalten in Ostberlin führt er anregende Gespräche mit Leuten aus der Künstler- und Schriftstellerszene der DDR.

Die auftretenden Figuren erinnern an Peter Hacks, Benno Besson oder Heiner Müller, sie diskutieren oft die Frage, wie rigoros sozialistische Politik sein sollte. In Honeckers »Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik«, die Ulbrichts »Neue Ökonomische Politik« ersetzt, sieht so mancher den Beginn des Ausverkaufs der DDR, da nun Überbauphänomene für wichtiger als die Veränderung der ökomomischen Basis erachtet werden. Auf anderem theoretischen Niveau erlebt Kaufmann solche Diskussionen auch zu Hause bei der DKP-Gruppe Köln-Nord: Könnte es sein, daß die DKP schon bei ihrer Gründung den revolutionären Anspruch der einstigen KPD aufgegeben hat? Auf jeden Fall gibt es unter Honecker in den Läden erstmal italienische Schuhe zu kaufen. Für Kaufmanns Klassik-Projekt ist aber kein Geld mehr da. Gleichzeitig geht Kaufmanns Beziehung zu Anne Willing in die Brüche.

(jW)

André Müller sen.: Anne Willing – Die Wende vor der Wende. Das Neue Berlin, Berlin 2007, 463 Seiten, 19,90 Euro

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