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Aus: Ausgabe vom 01.09.2007, Seite 12 / Feuilleton

Die anderen

Am Samstag eröffnet in Berlin ein Fachgeschäft für Konfektionswaren: Sansibar The Store Berlin. »Trendsetter und Strandläufer« sind ab 14 Uhr aufgefordert, auf dem teuren Pflaster der Fasanenstraße »eine Brise Syltluft« zu »schnappen«, und nebenbei ein paar Klamotten zu kaufen, die unter gehemmten Snobs sicher was hermachen. Außerdem »kleine Präsente«, die »typisch Sansibar« sind, etwa Salze, Öle und Prosecco. »Typisch Sansibar«, das bezieht sich auf ein Unternehmen, das 1978 als Bretterbude am Sylter Strandabschnitt Rantum gegründet wurde. Dessen Kerngeschäft ist die Gastronomie.

Mittlerweile werden auch Appartments vermietet, es gibt einen »Online Food Shop«, einen »Wine Discovery Club«, einen »Fashion Shop«, in dem die »Polos« bis zu 95 Euro kosten. »Polos«, das sind Polohemden. »Typisch Sansibar« hat also nichts mit der ehemaligen deutsche Kolonie zu tun, die vor dem Ersten Weltkrieg im Tausch gegen Helgoland an die Briten ging. Nur daß die Sylter Kurverwaltung vor beinahe hundert Jahren einen Strandabschnitt so benannte. Ein anderer heißt Samoa. Vom afrikanischen Sansibar wissen die Betreiber der Bar fast nur, daß die MS Europe, die vor der Tür an Land geht, regelmäßig auch dahin fährt. Auf Nachfrage, warum der Klamottenladen nicht in Hamburg eröffnet, erklärt einer: »Berlin ist erst der Anfang«.


Gut möglich also, daß Sansibar bald deutschlandweit nur noch mit Sylt in Verbindung gebracht wird. Vom Solibasar, auf dem am Eröffnungstag des Kleiderladens in derselben Stadt für Schulen gesammelt wird, haben die Betreiber naturgemäß nichts mitbekommen. Interessiert sie auch nicht weiter. (jW)