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Aus: Ausgabe vom 29.03.2006, Seite 13 / Feuilleton

Bagdad-Blog

Ein Internettagebuch aus Bagdad ist für den mit gut 43.000 Euro dotierten Samuel-Johnson-Preis der BBC nominiert worden. Der Verlag Marion Boyars hatte es 2005 unter dem Titel »Baghdad Burning« als Buch herausgegeben. Wer die englischsprachigen Einträge in diesem Weblog vornimmt, ist unbekannt. »Ich bin weiblich, irakisch und 24 Jahre alt. Ich habe den Krieg überlebt. Das ist alles, was Sie wissen müssen. Und alles, was heutzutage überhaupt wichtig ist«, heißt es im ersten Eintrag vom August 2003. Diese Autorenfigur hat den Namen Riverbend. In späteren Einträgen erklärt Riverbend, daß sie in einer Firma für Computersoftware beschäftigt war, bevor der Arbeitsweg zu gefährlich wurde. Wenn möglich, nimmt sie den Fluch der Besatzung mit Humor. Ihre politischen Kommentare sind aber in der Regel angemessen ätzend. Im aktuellen Eintrag vom 18. März dieses Jahres erklärt Riverbend alle Analysen von auswärtigen Experten für unwahr, die behaupten, es habe schon immer Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten gegeben, das sei in der Diktatur nur gedeckelt worden. Höchstens die »Fanatiker auf beiden Seiten« hätten sich um die Religionszugehörigkeit gekümmert. Anders als heute, da diese Kluft allgegenwärtig ist, wäre sie im laizistischen Saddam-Staat von der Mehrzahl der Leute für albern befunden worden. Im April oder Mai wird ein zweiter Band der Tagebücher bei Marion Boyars erscheinen. Der Gewinner des Samuel-Johnson-Preises wird am 14. Juni in London bekanntgegeben. (jW)

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Leserbriefe zu diesem Artikel:

  • Herwig Bitsche: Bagdad Burning Warum in die Ferne schweifen: das Buch von Riverbend ist soeben in einer deutschsprachigen Übersetzung im Residenz Verlag erschienen....